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Vor und hinter den Kulissen: Kommissar Gork               
                     ermittelt
"Komm rein und mach es Dir gemütlich." Gork winkte seinen Freund, den 
Söldnerleutnant Wushtor, durch die knarrende Holztür in die winzigen 
Räumlichkeiten, die er bewohnte. Der Kommissar legte keinen Wert auf Familie 
oder Luxus, und so war er in den kleinen Zimmern in der Pension der uralten 
Witwe in der Nähe des Alten Lhuntores sozusagen hängengeblieben. Der Halbork 
wohnte ganz gern hier, unter Menschen, auch wenn er sich sonst beruflich und 
in der Freizeit oft in den Orkvierteln der Stadt aufhielt. Und einer der 
Vorteile des Fachwerkhauses, in dessen Dachgeschoß er wohnte, war, daß es 
mehrere Eingänge hatte und direkt neben einer Lücke in der verfallenen Inneren 
Stadtmauer von Ithiljar stand. Es lag dadurch zentraler, als der erste 
Anschein vermuten ließ. Das hatte Gork schon das eine oder andere Mal bei 
seinen Ermittlungen geholfen.
Der stämmige Ork Wushtor, Unterleutnant in der Söldnergarde eines der 
ansässigen eiselfischen Adelsclane, ließ sich vorsichtig in einem der 
Korbsessel nieder, der unter dem vereinigten Gewicht von Krieger und 
Lederrüstung protestierend zu knacken begann. Sein Gastgeber fütterte derweil 
den kleinen gußeisernen Ofen unter der Dachschräge mit weiteren Klumpen 
Rentierdung.
"Ganz schön kalt geworden, nicht?", begann er das Gespräch. Gork brummte zur 
Antwort nur mißmutig und stocherte mit dem Feuerhaken in den qualmenden 
Innereien des Ofens. Wie zur Bestätigung heulte draußen eine Windbö auf und 
ließ feine Eisnadeln gegen die geschlossenen Fensterläden klirren. Der erste 
Wintersturm der gerade angebrochenen Polarnacht hielt die Provinz in seinem 
Griff.
Endlich schien der halborkische Kommissar zufrieden mit der Schichtung des 
Brennmaterials sein und wandte sich seinem Gast zu. Wushtor konnte sehen, daß 
sein Freund nicht gerade gut gelaunt war; vermutlich war ihm ein Fisch durch 
die Lappen gegangen, dachte er bei sich.
"Ich wollte, daß Du mir beim Trinken hilfst", sagte Gork und schleuderte den 
Feuerhaken neben den Ofen. Mit einem raschen Griff in eine der Truhen des 
Raumes zog er eine geschwungene Flasche hervor und stellte sie grob auf den 
wackeligen Tisch. Während er nach Bechern kramte, hatte der orkische Söldner 
Zeit, sie genauer zu betrachten. Es schien etwas Gutes zu sein, die Flasche 
war im elfischen Stil elegant geschwungen und aus ganz klarem Glas. Die 
farblose Flüssigkeit schimmerte selbst in der gelblichen Beleuchtung der 
Trankerze ganz leicht milchig.
"Sag mal, das ist doch nicht...", begann er zu fragen, doch schon bestätigte 
sein Freund, der Kommissar:
"Doch, ist es. Ishkibantha."
"Wie bist Du denn da drangekommen?" Wushtor konnte sein Erstaunen kaum 
verbergen. Der Schnaps wurde aus gegorener Banthamilch gebrannt, das genaue 
Rezept kannte nur der eiselfische Yngrel-Clan. Offiziell gelangte nichts davon 
in den Handel, was aber nur dazu führte, daß die Schwarzmarktpreise in die 
Höhe getrieben wurden. Ishkibantha war bei allen Rassen beliebt, bei Elfen und 
neureichen Menschen, weil man damit angeben konnte, bei Orks und Trollen, weil 
es im ganzen Norden kein stärkeres Destillat gab. Es hieß, man könne Tote 
damit aufwecken.
Wushtor zog den geschliffenen Stöpsel aus der Glasflasche. Der 
unverwechselbare Moschusgeruch breitete sich in dem kleinen Zimmer aus.
"Bedien Dich ruhig." Sein Gastgeber stellte grobe Tonbecher auf den Tisch, die 
so gar nicht zu der edlen Flasche passen wollten.
"Na, los, sag schon. Wo hast Du den her?" Der Ork war sichtlich neugierig.
"Er wurde mir mit freundlichen Worten von meinem Vorgesetzten überreicht, als 
eine Hälfte einer Aufforderung, eine bestimmte Sache auf sich beruhen zu 
lassen. Die andere Hälfte war die unverblümte Drohung, mir die Kehle 
durchschneiden zu lassen, wenn ich nicht den Mund halte. Sie hätten es 
vermutlich schon getan, wenn ich nicht ein so guter Polizist wäre und sie mich 
noch brauchen würden."
Gork machte eine Pause, in der er verärgert die Stirn kraus zog, was sein 
orkisches Erbe umso deutlicher werden ließ.
"Also haben sie mich bestochen", setzte er fort, "und zwar damit."
"Wegen der Operngeschichte", vermutete sein Gast. Die nietenbeschlagene 
Lederrüstung knarrte leise in der Stille.
"Nein, das hatte damit nichts zu tun. Ich hatte einen Eiselfen aus der 
Stadtverwaltung wegen eines Rassenvergehens am Haken. Aber leider stellte es 
sich heraus, daß er Offizier in der Legion ist, und dazu noch weitläufig mit 
einem der Adelsclane verwandt. Rate mal mit welchem." Der Kommissar warf einen 
vielsagenden Blick auf die Flasche. "Es ist besser, wenn Du davon nie etwas 
gehört hast."
"Klar." Der orkische Leutnant schnüffelte an seinem Becher und nahm 
probehalber einen kleinen Schluck.
"Uhh", keuchte er, "der geht aber runter."
"Du brauchst Dich nicht zurückhalten." Der halborkische Gastgeber schenkte 
sich ebenfalls etwas des stark duftenden Destillates ein.
"Und was macht nun die Sache mit der Oper?" Wushtor war hörbar heiser vom 
Genuß des starken Getränkes. 
"Ich habe eine Quelle in der Gilde angezapft, die langsam Informationen 
liefert. Die Baumeistergilde scheint mit irgendeiner politischen Gruppe 
verfilzt zu sein, die in Machtpositionen in der Stadt drängt."
"Das werden unsere blassen Elfen aber nicht zulassen." Der Ork ließ genußvoll 
noch einen Tropfen der leicht milchigen Flüssigkeit in seinen Magen rinnen.
"Diese Leute halten sich für die kommende Macht, wenn ich das richtig 
verstanden habe. Es sind diese Menschen, die von sich behaupten, vor ein paar 
Jahrhunderten seien unter ihren Vorfahren auch Halbelfen gewesen. Sie 
behaupten darum, die legitimen Erben der Eiselfen zu sein." Kommissar Gork 
stellte mit ernstem Gesicht den Becher auf den niedrigen Tisch.
"Die wären aber sicher nicht erfreut, das zu hören", antwortete Wushtor, "und 
solange die Legion in der Zitadelle liegt und die reichen Familien Söldner wie 
mich bezahlen, müssen diese Menschen noch lange auf ihr vermeintliches Erbe 
warten."
"Diese Leute sind nicht dumm. Sie wissen natürlich von der Legion und den 
Söldnern. Aber sie wissen auch genau, wie wenig Eiselfen überhaupt noch in 
Ithiljar leben und wie dünn die Decke ihrer Herrschaft ist. Du müßtest sie mal 
erleben, wenn sie unter sich sind, wie großsprecherisch ihre Reden dann sind. 
Aber kaum ist ein Eiself in der Nähe, und sei es nur ein bürgerlicher 
Hanswurst, buckeln sie schlimmer als eine Küchenmagd. Ekelhaft."
"Menschen halt", bemerkte der Leutnant. "Aber wenn sie so schlau sind, können 
sie doch keinen offenen Umsturz planen. Sie müssen doch genau wissen, daß bei 
einem Aufstand die Legion tabula rasa machen würde."
"Das ist auch das, was mich wundert", antwortete Gork, "bis jetzt deutet alles 
darauf hin, daß es eine Verschwörung gibt, die bei der Operngala einen 
Anschlag auf den Präfekten und die Clanchefs plant. Aber was würde diese 
Menschengruppe davon haben? Das ist mir nicht klar. Es muß mehr 
dahinterstecken."
"Eine Adelsintrige?" Wushtor war Söldner beim Xarinn-Clan und kannte die 
Ränke, die die adeligen Eiselfen gegeneinander spannen.
"Haben die nicht bessere Möglichkeiten?"
"Hm."
Eine Pause entstand, in der nur der eiskalte Sturm an den Fensterläden 
rüttelte und seine Fracht aus feinen Nadeln dagegenprasseln ließ.
Die beiden Männer tranken wortlos den hochprozentigen Schnaps. Schließlich 
brach der große Ork das Schweigen, indem er schüchtern bemerkte:
"Die Oper erinnert mich an das Anliegen, daß ich Dir neulich vorgetragen habe. 
Hast Du...?"
"Ich habe mit meiner alten Mutter gesprochen, Du weißt ja, daß sie in der 
Altstadt lebt", antwortete der Kommissar, "sie hat gesagt, daß Du sie besuchen 
sollst, sie kennt eine ganze Reihe von netten Orkmädchen. Weißt Du, ich hatte 
sowieso vor, ihr den restlichen Ishkibantha zu schenken, nimm doch einfach die 
Flasche und bring sie ihr von mir."
"Du meinst, ich soll so einfach..."
"Ja." Der halborkische Polizist schnaufte entnervt. "Wushtor, sie hat Dich 
eingeladen. Das heißt doch nicht, daß sie Dich sofort in eine Horde Frauen 
stoßen wird."
"Wenn Du meinst..."
"Mein' ich."
Gork verdrehte die Augen. Sein Freund war wirklich ein harter Brocken. Er 
würde seine Mutter vorwarnen müssen.
*
Der Mond hing wie ein übergroßer reifer Rentierkäse direkt über dem 
Nordhorizont und schien in das große Gemach hoch oben im Hauptturm der 
Zitadelle von Ithiljar. Er beschien eine höchst merkwürdige Szene, denn in dem 
vornehmen Gemach, das nur durch eine Eingeweihten bekannte Geheimtür in der 
Wand einer selten begangenen Wendeltreppe zu einem Erkertürmchen erreicht 
werden konnte, stand eine halbnackte  Orkfrau. Damit nicht genug, die 
gelblichen, flach hineinleuchtenden Strahlen Mondlicht umspielten auch die 
Gestalt eines älteren Eiselfen, der seiner grünhäutigen Partnerin unterwürfig 
die hohen Lederstiefel leckte.
Ein gut informierter Beobachter hätte vermutlich gewußt, daß die Peitsche, mit 
der sie spielerisch auf den porzellanweißen Rücken des Elfen einhieb, aus 
besonders weichem Leder von Seehundbabys gefertigt war, so daß keine Striemen 
zurückblieben, und daß man der Frau vorsorglich die Zunge herausgeschnitten 
hatte, damit sie über die Dienste, die sie dem Präfekten der Stadt leistete, 
nicht plaudern konnte. Aber zum Glück für das in trauter Zweisamkeit agierende 
ungleiche Paar gab es keine gut informierten Beobachter.
 
So konnte auch niemand sehen, wie Präfekt del'Udrien, nachdem seine stumme 
Diener-Herrin gegangen war, sich sorgsam wieder ankleidete und den Blick 
entspannt über das im schwachen Mondlicht glitzernde Eis des Lhunfjordes 
schweifen ließ. Er verwandte viel Sorgfalt auf den korrekten Sitz der Amtsrobe 
und betrachtete sich aufmerksam in dem mannshohen Silberspiegel neben der Tür. 
Alles schien zu stimmen. Befriedigt über seine Erscheinung ordnete er 
noch das ergraute Haar und zog schließlich ein kleines silbernes Döschen aus 
einer Tasche, die im Ärmel der formellen Robe eingenäht war. Mit geübten 
Bewegungen strich er eine Prise des weißen Pulvers, das aus einer Flechte der 
Südinsel gewonnen wurde, auf dem blassen Handrücken aus und schniefte sie in 
die Tiefen seiner schmalen Nasenlöcher.
Das kleine Döschen war schon längst wieder in den Tiefen der offizielen 
Präfektenrobe verschwunden, als Amir del'Udrien die Geheimtür hinter sich 
schloß und die enge gewundene Treppe hinabeilte. Es war nicht mehr viel Zeit 
bis zur Eröffnung der offiziellen Verhandlung im großen Audienzsaal der 
Zitadelle, bei der er zu Gericht sitzen mußte über die disziplinarischen 
Verfehlungen seiner Untergebenen und der Verfahren, die vom Kommandanten der 
Achtzehnten Legion an ihn als den Statthalter von Lord Vrash überstellt 
wurden.
Er ordnete noch einmal die dunkle Robe, ehe er auf den marmorverkleideten Gang 
hinaustrat. Es war wichtig, ein Vorbild zu geben, Ordnung, Effizienz und 
Reinheit geradezu zu symbolisieren bei diesen Verfahren. Schließlich war der 
Präfekt einer Provinz die Personifikation dieser Ordnung. Und das gerade hier 
in Ithiljar, einer der letzten Provinzen, die noch in der traditionellen Art 
vom Adel regiert wurden und nicht von Ordensbeamten. Der Adel war hier immer 
ein Vorbild für das Volk und die unterworfenen Rassen gewesen.
In würdevoller Langsamkeit schritt der große blasse Elf auf das bronzene 
Portal des großen Audienzsaales zu. Er mußte heute über Soldaten richten, die 
die ihre eigene Kampfkraft - und damit auch die der Legion - schwächten, indem 
sie Drogen nahmen. Wäre Amir nicht so diszipliniert gewesen, hätte er jetzt 
nur entrüstet den Kopf schütteln können. So etwas war beinahe so schlimm wie 
ein Verstoß gegen die Rassengesetze. Elfisches Blut durfte niemals geschwächt 
werden.
Er beschloß, diesmal ein Exempel zu statuieren und die härtesten Strafen zu 
verhängen.
© 2001 Diane Neisius
      
      
      
      
      
      
      
      © 1998-2006 Diane Neisius