Einige Wochen später ging er, sorgfältig in seinen dicken Umhang aus grauem 
Banthafell gewickelt, zügig durch die engen Gassen des Menschenviertels, das 
sich an die hier schon weitgehend verfallene alte Innere Stadtmauer schmiegte. 
Es war kalt, und wie immer zog eisiger Nebel duch die spärlich bevölkerten 
Gassen zwischen den nach Menschenart mehrgeschossigen eckigen 
Steinquaderhäusern. In den Fenstern blinkten gelbliche Kerzenlichter, denn 
obwohl gerade erst Mittag vorüber war, begann es schon dunkel zu werden. Das 
Fest der schwachen Sonne in der Polarnacht kündigte sich immer deutlicher 
an.
Die Mauerreste wurden jetzt niedriger, die ersten Baulücken in den Straßen 
kündigten das Ende des Viertels an, und schließlich erreichte Gork in der 
zunehmenden Dunkelheit die mit Mauertrümmern übersäte Fläche, die an die 
Rückseite des parkähnlichen Xarinn-Anwesens grenzte. Hier war er mit Wushtor 
und seinem Begleiter verabredet.
Er wartete noch eine Weile in den Schatten einer stehengebliebenen Grundmauer, 
spähte hin und wieder zu dem kleinen Wachhäuschen hinüber. Die Kälte des 
Bodens kroch bis zu seinen Knien herauf, bis er endlich durch die leere 
Fensterhöhle zu seiner Linken eine verstohlene Bewegung wahrnahm. Mit einem 
Ruck ging er los, an dem Wachhäuschen vorbei, als habe er mit den dort 
Wartenden gar nichts zu tun. Diese taten es ihm gleich, gingen in seine 
Richtung los, als habe man nur zufällig den gleichen Weg. Erst an der nächsten 
Hausecke nahmen die Verabredeten Blickkontakt auf.
"Hast Du es dabei?", zischte der gebeugte Mann, der Wushtor begleitete, Gork 
ohne weitere Begrüßung zu. Dem Kommissar war nicht wohl dabei. Der Mensch war 
drogenabhängig, und es bereitete dem Polizistengewissen keine Schwierigkeiten, 
daß die Pilzsporen, die nun übergeben wurden, aus beschlagnahmten illegalen 
Kontingenten eines Drogenhändlerrings der Stadt stammten. Es war üblich, daß 
von der Polizei beschlagnahmte Waren auf diesen Wegen wieder in die schwarzen 
Märkte der Stadt sickerten. Der Schattenlord und seine Ideale der Ordnung und 
Effizienz waren weit von Ithiljar weg.
Was dem halborkischen Beamten weit mehr Sorge machte war, daß der Mann 
berauscht vielleicht nicht mehr gnügend leistungsfähig für seine Aufgabe war.
Doch dieser grunzte nur befriedigt, nachdem er eine kleine Prise der Sporen 
durch ein Röhrchen in die Nase eingesogen hatte.
"Also, bereit?", drängte Wushtors tiefe Stimme nun. Der speertragende Krieger 
sah sich unruhig um. Es war nicht ungewöhnlich, Orks in den Wohnvierteln der 
Elfen zu sehen, schließlich gab es weit mehr Bedienstete als Herren in dieser 
Stadt, aber es mochte verdächtig sein, wenn sie allzulange verschwörerisch 
herumstanden.
"Gehen wir." Gork führte die Gruppe durch die breiten Allen der Wohnviertel 
der Gir-Templer, um an die rückseitige Fassade des Opernhauses zu gelangen. 
Niemand beachtete sie, auch nicht, als sie an den hellerleuchteten endlosen 
Fensterfluchten eines säulenprofilierten Marmorhauses vorbeikamen, vor dem 
sich Sänften und robentragende Eiselfen mit Gefolge und Dienern an den 
schmiedeeisernen Einlaßpforten stauten. Irgendein Ordensmitglied mochte dort 
einen abendlichen Empfang geben.
Schließlich bogen die Drei um eine Ecke und sahen das monumentale Ziel ihres 
heimlichen Marsches vor sich.
Gork schauderte innerlich. Er hatte von seiner Mutter genug menschliches Erbe 
in sich, um wenigstens ein rudimentäres Gespür für Ästhetik zu entwickeln, und 
er empfand das Gebäude als abgrundtief häßlich, wie verwachsen und 
verkrüppelt.
Es war trotz der Dunkelheit und des Nebels noch zu sehen, daß der Hauptbau nur 
der Torso eines kühnen Planes war, der an den Ecken kühn aufstrebende 
Minarette, großartige Portalfassaden und eine waghalsig krönende Kuppel 
vorgesehen hatte. Nur war leider schon vor Jahrhunderten die Ausführung aller 
großartigen Details liegengeblieben, und die klotzartige Bauruine wurde von 
ausgesuchten Stümpern seit etwas mehr als zwei Jahren provisorisch in ein 
begehbares Gebäude verwandelt.
In übertriebenen Historizismus hatte man dabei nicht an geradezu barock 
geschmacklosem Figurenschmuck der Vergangenheit gespart und damit alle Wände 
zugepflastert. Erstaunlicherweise waren aber gerade die Ansatzflächen nicht 
ausgeführter Bauabschnitte frei geblieben und mit modernen Streifenornamenten 
vermauert worden, so daß es aussah, als habe jemand einer riesigen Zuckertorte 
mit einem schartigen Messer alle überstehenden Teile abschneiden wollen. Und 
zu allem Überfluß hatte dieser Jemand dann noch die fehlende Kuppel des 
Machwerks mit dem tellerartigen Flachdach plattgedrückt. Gork fragte sich 
manchmal, ob niemand außer ihm die wahre Kläglichkeit des Bauwerkes spürte.
 
Im Schatten des marmornen Fundamentes hielten Wushtor und sein Freund mit 
raschen geübten Blicken nach zufälligen Beobachtern Ausschau, während ihr 
Begleiter teilnahmslos dastand und weißliche Dampfwölkchen in die Kälte 
atmete. Dann fingerte nahe dem kleinen Nebeneingang der Oper der Kommissar 
einen Schlüsselbund mit Dietrichen aus der kleinen Umhängetasche unter seinem 
grauen Umhang. Den Umgang mit solchem für Ermittlungsbeamte selbst dieser 
Stadt ungewöhnlichem Werkzeug hatte er als Jugendlicher in Ithiljar-Ost mehr 
als gründlich gelernt, und es hatte ihm mehr als einmal bei seinen Fällen 
nützliche Dienste geleistet.
Beinahe lautlos öffnete sich die kleine Pforte, und die drei Männer schlüpften 
hinein. Drinnen war es still und dunkel, aber nicht viel wärmer als 
draußen.
Wushtor begann an einer kleinen Blendlaterne zu fingern, und Gork zog ein 
zusammengefaltetes Pergament mit einem Grundriß des Bauwerkes aus seinem 
Beutel.
"Was ist mit Deinem Werkzeug", flüsterte er dem Menschenmann zu. 
Dieser bewegte sich langsam, zog einen Spitzhammer aus dem Gürtel. Der 
Kommissar blickte zweifelnd zu seinem orkischen Freund hinüber.
"Er ist gut, wirklich", sagte dieser fast entschuldigend, "ein erstklassiger 
Bergmann. Es war nicht einfach, einen Vorwand zu finden, ihn von den Minen in 
die Stadt bringen zu lassen, ehrlich."
"Also gut, Bergmann." Der halborkische Beamte wandte sich dem Mann zu, der 
abwartend seinen Steinhammer in der Hand wog. "Wir suchen Gänge in den Mauern 
und Fundamenten. Ich habe hier einen Plan. Sag mir, an welcher Stelle es sich 
anzufangen lohnt."
Der Mensch zog mit einem Schniefen die Blendlaterne zu sich heran und 
studierte das Pergament. Das Glänzen seiner Augen verriet, daß er in der 
Zwischenzeit noch eine Prise der Sporen zu sich genommen haben mußte. 
Schließlich stieß er mit dem Hammerstiel mitten auf das Blatt und antwortete 
heiser:
"Das geht nur hier, in diesen dicken runden Mauern. Alles andere ist zu 
dünn."
"Das Kuppelfundament."
"Wenn das ursprünglich eine große Kuppel tragen sollte, dann ist es jetzt auch 
noch stabil, wenn man es aushöhlen sollte." Die Worte des Mannes verrieten 
Sachkenntnis.
"Ich sagte doch, er ist gut", bemerkte Wushtor. Der Unterleutnant war 
sichtlich zufrieden mit seinem Begleiter.
"Erst mal sehen", wehrte Gork ab, "noch hat er nichts gefunden."
Statt einer Antwort schritt der Bergmann des Xarinn-Clans zügig los. Er mußte 
einen guten Orientierungssinn besitzen, denn trotz des nur kurzen Blickes auf 
den Plan führte er die Freunde ohne Umweg direkt ins Foyer des Opernhauses.
In dem hohen Saal waren noch die Innenarchitekten und Ausstatter am Werk, denn 
bald sollte die Eröffnungsgala stattfinden, und Gork fand, daß das Innere 
nicht viel geschmackvoller als das Äußere zu werden versprach. Die 
schwülstigen Deckengemälde, Freskos und antikisierend bestickten meterhohen 
Wandbehänge wirkten trotz der Weite des Raumes schon jetzt erdrückend.
Wushtars Begleiter begann unverzüglich mit der Arbeit. Das Ohr gegen den 
Marmor gepreßt, begann er mit leichten Schlägen die Oberfläche einer 
gewaltigen Säule abzuklopfen, tastete sich dabei mit geschlossenen Augen 
voran. Es wirkte beinahe, als wolle er in den Stein hineinkriechen. Nach einer 
Weile schien er befriedigt, öffnete die Augen und begann an einer anderen 
Stelle neu.
"Das kann ja ewig dauern", raunte der Söldner seinem beamteten Freund zu.
"Notfalls machen wir jede Nacht weiter, bis wir etwas haben."
"Er wird eine Menge dafür verlangen."
  
"Die Polizei hat eine Menge beschlagnahmt von dem Zeug", antwortete Gork. 
Aufmerksam beobachtete er den nur spärlich von der Blendlaterne erhellten 
Raum, in dessen Ecken und Galerien sich ungewisse Schatten hielten. Eigentlich 
sollte um diese Zeit nicht hier gearbeitet werden, aber man konnte nie wissen. 
Die Verschwörer konnten genau deswegen auch jetzt hierherkommen.
Der Bergmann hatte sich inzwischen bis zum Eingang des Zuschauerraumes 
vorgearbeitet. Ohne Pause lauschte und klopfte er, geriet einmal sogar beim 
Entlangtasten an den Wänden unter einen Wandteppich, ohne es zu merken, und 
glitt als Beule zwischen gestickten kämpfenden Eiselfen und kleinen 
Bartträgern dahin. Die Zeit dehnte sich. Gork trat von einem Fuß auf den 
anderen.
Endlos dehnten sich die Stunden. Dann war mit einem Mal die leise 
Menschenstimme von der Wand zu vernehmen: "Die Säule ist hohl."
Eilig brachte der Kommissar seine eingeschlafenen Gliedmaßen in Schwung, ging 
die breiten glattpolierten Stufen der Treppe hinauf, wo der Mensch sich an der 
rechten Wand zum Zuschauerraum zu schaffen gemacht hatte. Er wartete neben 
einer Säule, die halb in der massiven Wand versenkt war.
"Die ist hohl", sagte er zu den Ankömmlingen.
"Eine Geheimtür?", fragte Gork knapp.
"Nein, ein aufsteigender Gang, der irgendwo von unten kommt."
"Zeig mal den Plan." Wushtors massige Gestalt drängte hinzu. "Ich glaube, wir 
sollten im Keller weitersuchen."
Der Polizist grunzte zustimmend. Schon jetzt war er zufrieden mit seiner 
heimlichen nächtlichen Arbeit.
"Gork, Du arbeitest doch an dem Opernfall." 
Der eiselfische 
Polizeisuperintendent blickte hochmütig an dem demütig vor seinem breiten 
Schreibtisch stehenden Halbork vorbei. Der Blick fiel durch das hohe Fenster 
in der Zitadelle von Ithiljar hinaus auf den unter trübgrauem Nebel nur 
schemenhaft erkennbaren vereisten Lhunfjord. Gork war einer der wenigen 
Nichtelfen, die die Genehmigung besaßen, das Bollwerk im Herzen der Stadt zu 
betreten.
"Ja, Herr", antwortete er unterwürfig seinem blassen Vorgesetzten.
"Schon was rausbekommen?"
"Nicht viel, Herr. Bisher nur die üblichen Bestechungen und Unregelmäßigkeiten 
beim Bau." Gork verschwieg den Geheimgang, der vom Kellerfundament bis in die 
Adelsbalkone im Obergeschoß des riesigen Zuschauerraumes in der Oper führte 
und für Attentäter oder andere ungebetene Gäste wie geschaffen war. Der 
Bergmann, den sein Freund Wushtor beschafft hatte, war das Risiko mit den 
Pilzsporen wert gewesen. Doch diese Entdeckung wollte er nicht von seinem 
Vorgesetzten für sich ausnutzen lassen. Der Halbork war nicht Kommissar 
geworden, weil er sein Wissen stets sofort mit anderen geteilt hatte.
Der Eiself ließ sich seinen Unmut über die unbefriedigende Antwort nicht 
anmerken. Seine Stimme blieb gleichmäßig kühl und unbewegt. Dennoch hätte 
jeder Zuhörer ebenso wie Gork das Unheilsschwangere in seinen Worten 
gespürt.
"Das ist nicht effizient, Gork. Du bist schon seit mehr als zwei Wochen mit 
der Sache beschäftigt. Ich will jetzt Ergebnisse sehen", erklärte der blasse 
spitzohrige Mann, "umso mehr, da neue Gerüchte über die Oper umgehen. Man will 
jetzt nächtliche Lichter in dem Gebäude gesehen haben. Einige Stimmen 
behaupten, es spuke dort. Und das, obwohl hinzugezogene Magier des 
Pegasusordens nicht die kleinste Spur von astralen Aktivitäten gefunden haben. 
Du findest den Bericht in den Akten. Und die Eröffnung rückt näher, und wir 
haben jetzt in der Einbildung der Leute auch noch mit einem Phantom in der 
Oper zu tun."
Natürlich in den Akten, dachte Gork, ein Pegasusmagier gibt sich doch nicht 
mit einem Halbork ab. Selbst wenn er der ermittelnde Kommissar ist.
"Ich verstehe, Herr. Ich werde meine Anstrengungen verdoppeln." Er bemühte 
sich, sich noch mehr zu ducken vor seinem Vorgesetzten.
"Das sagen alle Diener, die ich damit beauftrage. Aber von Dir erwarte ich 
mehr als von den anderen, Gork. Das ist Dir wohl klar." Die kühle Stimme war 
gefährlich leise geworden und ließ keinen Zweifel, daß ein Versagen in diesem 
außergewöhnlichen Fall auch einschneidende Konsequenzen haben würde.
Der halborkische Kommissar schwieg vorsichtshalber. Auf keinen Fall durfte er 
ein Wort darüber verlieren, daß er ganz genau wußte, wer nachts mit einer 
Laterne in der Oper umhergeschlichen war. Nämlich er selber nebst seiner 
Helfer.
"Du kannst gehen."
"Ja, Herr." Er verneigte sich tief, bevor er eilig den weiß dekorierten hohen 
Dienstraum verließ.
Und während er durch die langen weißen Korridore der Zitadelle von Ithiljar in 
Richtung Ausgang schritt, dachte er daran, daß die Sache von außen betrachtet 
für ihn schlechter aussehen mußte, als sie in Wirklichkeit war.
Gork alias das Phantom der Oper hatte für Notfälle noch eine Menge Asse im 
Ärmel.
Und - einen Dolch.