Diane Neisius
Vortrag vom 18. 02. 2002 im Bastet und Tefnut Iseum
Inhalt
Einführung
Sternbilder und Tierkreiszeichen
Das heutige wissenschaftliche Weltbild
Die heutige Astrologie
Schluß und Anregung
Referenzen / Anhang
Einführung
In der heutigen Zeit wird die Sterndeuterei ganz allgemein mit den Menschen in
Verbindung gebracht, die ihre Nächte am Fernrohr sitzend verbringen. Leider
ist das aber nicht so, und ein Hobbyastronom, der irrtümlich von jemand wegen
eines Horoskops angesprochen wird, gibt in einigen Fällen eine entrüstete
Tirade über diesen "Unfug" von sich.
Es lohnt daher zunächst einmal, zu durchleuchten, was die Astronomie
von der Astrologie unterscheidet. Beide Bezeichnungen tragen die Silbe
"Astro" in sich, die "Stern" bedeutet; "Nomos" dagegen bedeutet soviel wie
"Name", "Ordnung", während "Logos" der "Sinn" von etwas ist. Also ist
Astronomie
die Wissenschaft, deren Jünger Sterne angucken und ihnen Namen und eine
Ordnung geben, während die Astrologen versuchen, in dem Geschehen am
Himmel
einen Sinn zu sehen.
Ursprünglich waren diese beiden Disziplinen eins. Vor 3000 Jahren, in
Mesopotamien, beobachteten nachts von den Tempeldächern aus Priester den
Himmel, zunächst aus ganz praktischen Gründen wie der Bestimmung des
günstigsten Zeitpunktes für die Aussaat des Getreides. Aus dieser
Notwendigkeit entwickelte sich der Kalender. Schon bald aber versuchte man
nicht nur aus dem jährlichen Lauf der Sonne, sondern auch aus der Beobachtung
der "Wandelsterne" Voraussagen der aktuellen Geschehnisse zu gewinnen.
Als unerläßlich erwies sich dazu eine genaue Vermessung der Sternbilder. Es
war dies die Geburtsstunde der Mathematik, und nicht zufällig tauchen im
Zusammenhang mit Kreisen und Zeitmessung so häufig die Zahlen 12, 60 und 360
auf.
In Mesopotamien verwendete man nicht wie wir 10, sondern 60 als Basis des
Zahlensystems.
Derlei Voraussagen zogen allerdings schon bald das Interesse der weltlichen
Herrscher auf sich, und daher wurden auch die Einzelschicksale von
Königen aus den Sternen zu deuten versucht. Das war die Geburtsstunde des
individuellen Horoskopes.
Diese von Priestern betriebene Kunst, den Lauf der Wandelsterne zu verfolgen,
zu berechnen und zu deuten ist somit die älteste Wissenschaft der Menschheit,
eine gemeinsame Wurzel der Mathematik, der Astronomie und der Astrologie (als
Priesterin der Göttin, Mathematikerin, Hobby-Astronomin und
Gelegenheits-Astrologin steht die Autorin also in einer sehr alten
Tradition).
In dem vorliegen Vortrag nun soll es darum gehen, wie sich in der heutigen
Zeit diese alten Teilwissenschaften voneinander entfernt haben. Das beginnt
zuerst einmal ganz buchstäblich, indem wir untersuchen, wie sich die
Tierkreiszeichen der Horoskope gegen die sichtbaren Sternbilder am Himmel
verschoben haben.
Anschließend betrachten wir, wie sehr sich unser Bild vom Universum als Ganzes
gegenüber der Antike verändert hat und inwiefern das in die "Sinnsuche"
eingehen kann.
Dann wenden wir uns der Astrologie zu und durchleuchten die Sinnsuche mit
Hilfe eines modernen Horoskopes; wir werden auch die Frage stellen, ob
Himmelsbeobachtung dazu noch hilfreich ist.
All das wird am Schluß in Anregungen zum eigenen Weitermachen münden.
Sternbilder und Tierkreiszeichen
In der Einführung war schon die Rede davon, daß sich die Sternbilder und die
Tierkreiszeichen gegeneinander verschoben haben. Sternbilder?
Tierkreiszeichen? Ist das nicht dasselbe, werden jetzt sicher einige Leser
fragen.
Die Antwort ist, nein. Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was am Himmel
zu sehen ist, und dem, was für Horoskope benutzt wird. Die Autorin verwendet
die Bezeichnung "Sternbild" für das, was am nächtlichen Himmel in Form von
mehr oder weniger zusammenhängenden Gruppen zu sehen ist, und die Bezeichnung
"Tierkreiszeichen" für das, was in der Astrologie verwendet wird, um ein
Horoskop zu berechnen. Beides ist nicht dasselbe.
Was ist denn nun ein Tierkreiszeichen? Wenn ich im "Krebs" geboren bin,
bedeutet das nicht, daß irgendwas zum Zeitpunkt meiner Geburt mit dem
Sternbild Krebs zusammenhing?
Nun, wenn ich astrologisch ein Krebs bin, dann stand die Sonne zum
Zeitpunkt meiner Geburt in einem bestimmten, 30 Grad großen Abschnitt des
Himmels, und zwar im vierten, wenn man von der Frühlinstagundnachtgleiche
rechnet. Von diesen Abschnitten gibt es 12 Stück einmal rund um den Himmel.
Vor 3000 Jahren nun, als die Astro-Wissenschaft in Mesopotamien begründet
wurde, stand jeweils eines der 12 Sternbilder entlang der Linie, an der die
Planeten über den Himmel wandern (die wird "Ekliptik" genannt), genau passend
zu einem dieser 30-Grad-Abschnitte. Man nahm daher für die Abschnitte einfach
die Namen der Sternbilder, obwohl das strengenommen nicht dasselbe ist. Unter
anderem sind die Sternbilder nämlich nicht alle genau 30 Grad groß.
Wie kann sich das nun verschieben? Wandern die Sterne doch, obwohl wir in der
Schule gelernt haben, sie seien "fix", also fest?
Natürlich stehen die Sterne fest. Aber wir Menschen vergessen zu leicht, daß
wir uns auf einer bewegten Erdkugel befinden. Und diese Erdkugel dreht sich
nicht ganz gleichförmig. Vielleicht kennt der eine oder andere Leser aus
seinen oder ihren jungen Jahren noch diese Kinderkreisel, die man aufziehen
konnte und dann auf den Boden setzen, wo sie eine Art "Eiertanz" aufführten,
ehe sie ausliefen. Dieses "Eiern" macht jeder Kreisel, der nicht ganz genau
gerade steht. Man nennt es "Präzession". Auch die Erde tut das! Die Erdachse
steht ja schief, was gerade unsere Jahreszeiten erzeugt; und deshalb "eiert"
auch die Erde bei ihrer Drehung um sich selbst. Nun ist unser Planet sehr
groß (jedenfalls im Vergleich mit einem Brummkreisel), deshalb ist auch die
Eier- oder Präzessionsbewegung entsprechend
langsam; "einmal herum" dauert ungefähr 25800 Jahre. Dieser Zeitraum heißt ein
Großes oder Platonisches Jahr.
Was für sichtbare Auswirkungen hat diese Präzession genannte Eierbewegung?
Zunächst einmal verschiebt sie nur die Jahreszeiten gegen die fest stehenden
Sterne. In, sagen wir, 10000 Jahren wird man in einer Sommernacht also ganz
andere Sternbilder sehen als heute, nämlich die, die wir heute in einer
Winternacht sehen. Und was hat das nun mit den Tierkreiszeichen zu tun?
Die Tierkreiszeichen, das wurde oben schon beschrieben, sind 30 Grad große
Abschnitte des Himmels, die ab dem Punkt, an dem die Sonne am Tag der
Frühlingstagundnachtgleiche steht, gerechnet werden. Die
Frühlingstagundnachtgleiche ist aber an die Jahreszeiten gebunden! Also
verschieben sich auch unsere Abschnitte mit der Präzession der Erddrehung, und
deshalb stimmen sie heute, 3000 Jahre nach der Namensgebung, nicht mehr mit
ihren Sternbildern überein.
Wenn ich also ein "Krebs" bin, oder im "4. Abschnitt" geboren, dann ist das
eine Aussage, die an die Jahreszeiten gebunden ist. Sie bedeutet, daß ich im
Sommer geboren wurde. Das war auch in der Antike so, und das wird auch in
10000 Jahren noch so sein: ein Krebs ist immer ein Sommerkind, egal, wie weit
weg die Sonne dann im Sommer vom Sternbild Krebs steht.
Der Punkt, an dem die Sonne am Tag der Frühlingstagundnachtgleiche steht, ist
übrigens für beide Astro-Wissenschaften der "Nullpunkt", von dem aus gerechnet
wird. Er wird auch Frühlingspunkt genannt oder Widderpunkt, weil an dieser
Stelle der 1. Abschnitt der 30-Grad-Einteilung beginnt, der vor 3000 Jahren
seinen Namen vom Sternbild Widder bekommen hat. Dieser erste Abschnitt, das
Tierkreiszeichen (Achtung: nicht Sternbild!) Widder, wandert also langsam an
den Sternen vorbei, mit einer Geschwindigkeit von ungefähr einem Grad pro 70
Jahren. Das ist der Grund, warum Sternkarten immer mit einer Jahreszahl
gekennzeichnet sind ("Epoche") und Sternatlanten etwa alle 50 Jahre neu
herausgegeben werden.
Es ist auch der Grund, warum man bei Verwendung astrologischer Hinweise aus
sehr alten Büchern vorsichtig sein muß; verwendet man beispielsweise die
Fixsternsympathien aus Agrippa von Nettesheims "De Occulta Philosophica" [1], die 1531 erschienen ist, so muß man berücksichtigen, daß
alle Sternpositionen rund 470 Jahre alt sind, d. h. fast 7 Grad gegenüber
einer modernen Karte zurück liegen.
Noch ein anderes Stichwort soll an dieser Stelle gegeben werden, nämlich
"Zeitalter". Man hört gelegentlich davon, daß der Beginn des
"Wassermannzeitalters" entweder nahe ist oder gerade stattfindet. Dieser
Begriff hängt ebenfalls mit der Präzession und der Wanderung des
Frühlingspunktes durch die Sternbilder zusammen.
Das Zeitalter gibt nämlich immer genau an, an welchem Sternbild der
Frühlingspunkt gerade vorbeiwandert. Wie wir an einer aktuellen Karte sehen
können, ist das immer noch das Sternbild Fische. Wir leben also immer noch im
Fische-Zeitalter und werden das auch noch eine Weile tun. Da beide
Sternbilder, Fische und Wassermann, sehr groß sind und das eine nördlich der
Ekliptik, das andere südlich liegt, wird der Übergang auch nur ganz allmählich
erfolgen und Jahrhunderte in Anspruch nehmen, sein Höhepunkt liegt noch einige
Grad voraus. Ganz bestimmt hat also das Wassermann-Zeitalter nicht 1968 auf
dem Woodstock-Festival begonnen und auch nicht am 1. 1. 2001.
Das heutige wissenschaftliche Weltbild
In der Antike, als sich die Kunst der Sternbeobachtung und Sterndeutung gerade
erst
entwickelte, war sehr wenig vom Universum bekannt. Man hatte zum Beobachten ja
nur das freie Auge zur Verfügung, kannte also neben Sonne und Mond nur noch
Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. (Uranus, der zumindest zeitweilig mit
bloßem Auge sichtbar sein kann, war in Mesopotamien nicht bekannt, es gibt
aber Hinweise darauf, daß er möglicherweise in einigen der indianischen
Hochkulturen schon beobachtet worden ist.)
Mithin wußte man damals noch nicht einmal vom ganzen Sonnensystem (fraglich
ist, ob wir das schon tun), obwohl spätestens in der griechischen
Antike ansonsten "richtige" Vorstellungen herrschten (Aristarchos: Sonne im
Mittelpunkt, Erde ist eine Kugel, die darum kreist wie die Planeten), auch
wenn diese Vorstellungen in der Spätantike und im Mittelalter wieder
verlorengingen. Bekannt war also nur das Sonnensystem bis zum Saturn, und
dessen Beobachtungen setzte man für astrologische Voraussagen ein. Das änderte
sich nicht bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.
Heute hat sich unser Horizont erweitert. Wir wissen durch Beobachtungen mit
Fernrohren, daß es weitere Planeten im Sonnensystem gibt und viele kleinere
Körper. Wir wissen, daß die
Sterne weit entfernte Sonnen wie unsere Sonne sind. Beispielsweise liegen die
beiden hellsten Sterne im bekannten Sternbild Orion
(das in Winternächten funkelnd im Süden steht), Beteigeuze und Rigel, etwa 600
Lichtjahre [a] von uns entfernt; die Gürtelsterne sind 1400 Lichtjahre
entfernt, und die Gasnebel im Schwert etwa 1900 Lichtjahre.
Wir wissen, daß unser
Sonnensystem mit einer Unzahl anderer Sonnen
eine riesige abgeflachte Sternwolke bildet, die Milchstraße; und wir wissen
auch, daß
unsere Sonne relativ weit am Rand der Milchstraße liegt.
Wir haben beobachtet, daß sich in bestimmten Gebieten aus Gasnebeln neue
Sterne bilden, beispielsweise im Sternbild Orion; und wir haben vermessen, daß
der Mittelpunkt der Milchstraße im Sternbild Schütze liegt. Es könnte daher
interessant sein (vielleicht unter dem Aspekt "Geburt" oder "Mittelpunkt"?),
zu welchem unserer 30-Grad-Abschnitte oder Tierkreiszeichen diese Sternbilder
gehören.
Die Spirale der Milchstraße ist aber nur eine Sternwolke von vielen. Mit dem
Andromeda-Nebel und einigen kleineren bildet sie ein noch größeres Gebilde,
die "Lokale Gruppe". Obwohl die Bewegungen in dieser riesigen Gruppe sehr
langsam sind, könnte es dennoch interessant sein, in welchen Tierkreiszeichen
all die anderen Milchstraßen stehen.
Aber die Lokale Gruppe ist noch nicht das größte Gebilde, das wir kennen. Mit
vielen anderen Gruppen und Haufen von Milchstraßen bildet sie einen
Superhaufen, ein gigantisches langgezogenes Gebilde, dessen Mittelpunkt von
uns aus gesehen im Sternbild Jungfrau liegt.
Und auch von diesen Superhaufen gibt es wieder viele andere; gleich
langgezogenen Spinnweben bilden sie ein dünnes Geflecht aus Milchstraßen im
sichtbaren Teil des Universums zwischen großen leeren Blasen, in denen es fast
keine Materie gibt. Der Teil des Universums, den wir sehen können, weil das
Licht seit dem Urknall genug Zeit hatte, bis zu uns zu reisen, ist von diesen
Spinnweben erfüllt. Und es gibt keinen Grund anzunehmen, daß das jenseits des
"Lichthorizonts" anders ist.
Im größten Maßstab ist das Universum also ziemlich "gleichförmig", und es
lohnt vermutlich nicht, es in astrologische Betrachtungen mit einzubeziehen.
Aber die Richtung großer Objekte wie des Mittelpunktes des Virgo-
Superhaufens, der Andromedagalaxie oder des Mittelpunktes unserer eigenen
Milchstraße ist möglicherweise interessant. Die Bewegung all dieser riesigen
Objekte ist allerdings so langsam, daß man sie innerhalb unserer Lebensspanne
getrost als stillstehend (im Bezug auf die Fixsterne) ansehen kann.
Die heutige Astrologie
Nun haben wir uns so lange mit dem beschäftigt, was am Himmel zu sehen ist,
daß jetzt die Frage naheliegt, was eigentlich an Sinn dahintersteckt.
Für die Menschen in der Antike war diese Frage einfach zu beantworten. Für sie
waren die Sterne Zeichen, die von den Göttern im Himmel gesetzt wurden, um den
sternkundigen Priestern Hinweise zu geben.
Heute, in einer technisch-wissenschaftlichen Kultur, ist das nicht mehr so
einfach. Wir wissen, daß die Planeten Körper wie die Erde sind, die sehr weit
entfernt sind. Mit physikalischen Meßgeräten gemessen, hat höchstens noch der
sehr nahe Mond einen Einfluß auf die Erde, etwa Ebbe und Flut, im Mittel 3
Meter hohe Wasserberge auf den Ozeanen, die, vom Mond angezogen, um die Erde
herumlaufen. Die steifere feste Erde verformt sich nur einen halben Meter in
Richtung Mond, und alle anderen Planeten verursachen nur Verformungen im
Millimeter-Maßstab. Mittels physikalischer Kräfte ist also nicht mit einem
Einfluß der Himmelskörper auf uns zu rechnen.
Aber vielleicht hieße das ja sowieso, das Pferd am Schwanz aufzuzäumen.
Beispielsweise zeigt eine Armbanduhr ja auch durch ihre Bewegung die Zeit an.
Nun wird es dem aufmerksamen Beobachter auffallen, daß er in der Regel gegen
Mittag, wenn beide Zeiger der Uhr sich an der "12" treffen, Hunger bekommt.
Bei langfristiger Beobachtung trifft das ziemlich zuverlässig ein, und es wird
sogar eine gewisse Voraussage möglich sein - "Aha, bald treffen sich die
Zeiger an der 12. Ich werde also Hunger bekommen."
Käme nun ein vernünftig denkender Mensch auf die Idee, die Zeiger der
Armbanduhr würden durch irgendwelche seltsamen Kräfte den Hunger verursachen?
Doch wohl kaum! Die Zeiger zeigen die Tageszeit an, und der Körper, der seinem
eigenen Tagesrythmus folgt, entwickelt aufgrund dieses Rythmus Hunger. Beide
Vorgänge sind kausal getrennt, aber dennoch läßt sich eine Armbanduhr recht
zuverlässig für Voraussagen dieser Art verwenden. Anderenfalls würde sie wohl
kaum von so vielen Menschen getragen werden.
Das Sonnensystem ist nun im Prinzip auch nichts weiter als eine solche (aber
eindrucksvoll große) Uhr. Die Zeiger, die Planeten, müssen also gar nicht
irgend etwas "ausstrahlen", um für Horoskope oder ähnliches verwendbar zu
sein. Man muß lediglich das Postulat zulassen, daß es im Universum Rythmen
einer übergeordneten Art gibt, denen auch wir unterworfen sind und die wir mit
unseren Geräten (noch) nicht messen können.
So arbeitet auch die heutige Astrologie. Astrologen beobachten deshalb auch
nicht mehr die Sterne, sondern verwenden berechnete Tabellen der
Planetenpositionen (sogenannte "Ephemeriden") für ihre Horoskope. Die
Ausdeutung der Horoskope erfolgt dabei im allgemeinen mit Hilfe der
überlieferten Bedeutungen der Stellungen der Planten untereinander und in den
Tierkreiszeichen. Diese sind seit der Antike bekannt und sind durch inzwischen
3000 Jahre Beobachtung und Vergleich mit Ereignissen empirisch weitgehend
abgesichert.
Das heißt, jedenfalls für die seit der Antike bekannten Planeten. Für die erst
in der Neuzeit entdeckten Himmelskörper liegen noch nicht soviele
Beobachtungen vor. Der Neptun zum Beispiel hat seit seiner Entdeckung im Jahr
1860 noch nicht einmal eine ganze Umkreisung der Sonne hinbekommen, weil er
sich so langsam bewegt! Wie soll man ihm da eine ähnlich gewichtige Bedeutung
zukommen lassen wie den schon lange bekannten Planeten?
Und noch schlimmer ist es mit den zahllosen kleinen Körpern im Sonnensystem.
In jeder einschlägigen Buchhandlung bekommt man inzwischen Ephemeriden von
nahezu jedem kleinen Felsen, der die Sonne auf irgendeiner halbwegs
regelmäßigen Bahn umkreist. Zum Teil sind das Körper, die erst vor wenigen
Jahren oder Jahrzehnten entdeckt worden sind. Wie soll man jetzt schon wissen,
welche Rythmen ihre Umlaufbahnen anzeigen?
Das ist ein Punkt, an dem der Autorin die moderne Astrologie zu weit geht; sie
selbst verwendet denn auch nur die "antiken" Planeten und ihre Zuordnungen,
die lange genug verfolgt worden sind, für ihre Horoskope. Das ist quasi die
antike Astrologie; die moderne Astrologie ist hier zu einer reinen
"Schreibtischwissenschaft" verkommen, die mit Naturbeobachtung nichts mehr zu
tun hat.
Nun haben wir gesehen, daß Beobachtung wegen der Verschiebung von Sternbildern
und Tierkreiszeichen für die direkte Deutungsarbeit keinen Sinn mehr macht.
Aber wir dürfen nicht vergessen, daß die Priester in der Antike sehr wohl so
gearbeitet haben, direkt vom Himmel "abzulesen", und daß deshalb der
Sichtbarkeit der Objekte eine weit größere Bedeutung zukommt, als es allein
aus Tabellen abzuleiten ist.
Deshalb sollte sich jeder, der sich ernsthaft mit Astrologie beschäftigen
will, anfangs auch eine ganze Zeitlang den Himmel beobachten und versuchen,
jeden der Planeten wenigstens einmal am Himmel gesehen zu haben! Man bekommt
ein ganz anderes Gefühl für den Sinn hinter den Ausdeutungen; denn sicher
haben doch auch unsere Vorfahren in der Antike den Zyklen der hellsten
Himmelskörpern auch die wichtigsten Rythmen zugeordnet - einmal von der
ästhetischen Brillianz und Erhabenheit abgesehen, die dem nächtlichen Himmel
innewohnt und die wahrzunehmen ein eindrucksvolles Erlebnis ist.
Auch die Sternbilder der Ekliptik, die vor 3000 Jahren den 30-Grad Abschnitten
des Tierkreises ihre Namen geliehen haben, verdienen deshalb, am nächtlichen
Himmel wenigstens einmal gesucht zu werden (jedenfalls die größeren, nicht
alle sind leicht zu finden). Für astrologische Arbeit mögen sie heute
belanglos sein, aber es ist für das Gefühl für die Tierkreiszeichen sehr
erhellend, ihre Namensvettern am Himmel einmal zu sehen - und, wie im Fall von
Stier, Zwilling, Skorpion oder Löwe direkt zu sehen, wie die
Namensgebung inspiriert wurde.
Man erkennt dann auch fast von selbst, warum die Sonne in ihrer enormen
Strahlkraft eine so überragend wichtige Bedeutung hat als Zentrum der
Lebenskraft, der Mond die zweitwichtigste Sache, die Gefühlswelt und die
Träume mit allem was dazugehört beschreibt, und so fort. Und vielleicht würde
dann mancher Schreibtisch-Astrologe nicht mehr soviel Wert auf die Bewertung
der kleinen Körper legen, wenn er wüßte, daß sie mit bloßem Auge nicht zu
sehen sind - und auch mit einem Fernrohr nur mit sehr viel Erfahrung zu
finden.
Eine Tabelle mit den Helligkeiten der mit bloßem Auge sichtbaren astrologisch
bedeutsamen Himmelskörper findet
sich im Anhang [b].
Schluß und Anregung
Wir haben gesehen, daß die astrologische Deutung der Planetenstände relativ
wenig mit dem Sternenhimmel zu tun hat - wenigstens heutzutage. Die
Tierkreiszeichen sind an die Jahreszeiten auf der Erde gekoppelt und nicht an
die Sternbilder, gegen die sie sich seit der Antike sogar verschoben haben.
Astrologie ist also trotz des Namens eine sehr "irdische" Angelegenheit.
Gleichwohl ist sie durch Himmelsbeobachtung begründet worden, und das wird
heutzutage zu leicht vergessen. Daher will die Autorin die Anregung geben,
Sterne und Planeten zu beobachten, um ein besseres Gefühl für sie zu bekommen,
ihr Strahlen, das, was in der Antike ihre ursprüngliche Bedeutung und
Sinnfindung ausgemacht hat, ehe der oder die Interessierte sich mit
Berechnungen, Tabellen und relativen Positionen am Schreibtisch
beschäftigt.
Vielleicht bekommt der eine oder andere Leser auf diese Weise einen ganz
eigenen, gewissermaßen intuitiven Zugang zu dem, was auch einmal einfach ein
Teil der Natur war, den es zu beobachten galt.
Referenzen / Anhang
[1] Agrippa von Nettesheim, De Occulta Philosophica. Libri
Tres.
Mecheln, 1531.
[a] Ein Lichtjahr ist die Entfernung, die ein Lichtstrahl in einem Jahr zurücklegt. Das sind 9500 Milliarden Kilometer.
[b] Anmerkung: Helligkeiten von Himmelskörpern werden in
"Größenklassen" gegeben. Diese Einteilung stammt gleichfalls aus der Antike;
die hellsten Fixsterne am Himmel sind 1. Größenklasse, die gerade noch eben
sichtbaren (bei klarer Luft und dunklem Himmel) von 6. Größenklasse. Natürlich
muß man dann Objekte, die heller sind als die hellsten Sterne, als von 0.
Größenklasse oder sogar mit negativen Größen bezeichnen.
Als kleines Beispiel möge wieder der Orion dienen: die beiden hellsten Sterne,
Beteigeuze und Rigel, sind von 1. Größe, die Gürtelsterne 2. Größe. Auch die
Sterne im Großen Bären sind überwiegend 2. Größe.
Name | Größe | Bemerkung |
Sonne | -26 | |
Mond | -12 | max., Tage um Vollmond |
Venus | -4 | max. als Morgen- / Abendstern |
Jupiter | -2 | |
Mars | -1 | max. während Opposition |
Saturn | 0 | max. mit voll beleuchtetem Ring |
Merkur | 1 | Dämmerung, schwer beobachtbar |
Uranus | 6 | max. unter optimalen Bedingungen |
© 2002 Diane Neisius