Man liest gelegentlich, die ersten Siedler in Irland (und damit auch eine
Menge der heutigen Iren) wären die Nachkommen aus der Ehe eines sagenhaften
Helden mit einer ägyptischen Prinzessin Scota, von deren Namen sich auch das
Wort "Schottland" ableitet. Der sagenhafte Held lebte in seiner Jugend einige
Zeit in Ägypten, wo er sich als Krieger hervortat und dafür schließlich vom
Pharao "Cincris" die Hand seiner Tochter erhielt.
Hier beginnen schon die ersten Schwierigkeiten. Die Ägypter waren nämlich in
der längsten Phase ihrer Geschichte keineswegs fremdenfreundlich, sondern
durchaus nationalbewußt und Ausländern gegenüber nicht besonders tolerant. Von
"Gastarbeitern" hielten sie höchstens in untergeordneten Positionen etwas.
Und deutlicher noch sagt es ein Brief aus der 18. Dynastie: "Von alters her
werden Prinzessinnen nicht ins Ausland verheiratet."
Allerdings hatte in der Zeit der klassischen (griechischen) Antike schon der
lange Niedergang der ägyptischen Kultur eingesetzt. Zu dieser Zeit schon waren
die großen Tempel von Luxor und mehr noch die Pyramiden von Gizeh unfaßbar
alte Denkmäler, und der politische Schwerpunkt des Reiches hatte sich von dort
weg nach Unterägypten verlagert, hin zum Wirtschaftsraum Mittelmeer, der von
Griechen und Phöniziern beherrscht wurde. Ägypten war nicht mehr länger
Weltmacht.
In der Zeit der 26. Dynastie, die von der Hauptstadt Saïs in Unterägypten
aus
regierte, kam es sogar zu einem immer stärkeren Zustrom von Griechen nach
Ägypten, und zwar als Händler und später auch in Form von Söldnern. Uns ist
überliefert, daß das zu einer Menge von Spannungen mit der einheimischen
Bevölkerung führte. Politisch kamen die saïtischen Pharaonen jedoch nicht
mehr
ohne ihre Söldnerarmeen aus, da Ägypten selbst schon zu sehr in seinen
Traditionen erstarrt war.
Zeitlich paßt das auch einigermaßen zur Ausbreitung der ersten Kelten der "La
Tene"-Kultur in Mitteleuropa, die etwa zu dieser Zeit begann. Richtung Westen
geschah diese Ausbreitung relativ friedlich, in Nordspanien kam es zur
Vermischung mit den Stämmen der Iberer. Diese "Keltiberer" waren für
verschiedene Staaten des Mittelmeerraumes regulär als Söldner tätig, für
Karthago etwa noch bis in die Zeit der Züge Hanibals. Es ist daher nicht
abwegig, daß in der Zeit der späten Saïtendynastie neben griechischen
auch
keltiberische Söldner im Dienst der Pharaonen standen - und für den wurden sie
dringender denn je benötigt.
Der vorletzte Pharao der Dynastie, Amasis, hatte nämlich politisch schon
alle Hände voll zu tun. In Asien erhob sich das Weltreich der Perser und
bedrohte Ägypten, das schließlich 525 vor Beginn unserer Zeitrechnung vom
persischen König zum erstenmal erobert wurde.
Was geben nun die historischen Quellen über die saïtischen Pharaonen her?
Auf
den ersten Blick ist enttäuschend, daß niemand von ihnen (und auch sonst kein
Pharao) "Cincris" heißt. Man muß allerdings bedenken, daß die Pharaonen immer
eine ganze Reihe von Namen führten, die zum großen Teil religiös-magischen
Charakter hatten oder aber als "Regierungsprogramm" dienten, wie etwa der
Thronname. Sieht man alle diese Namen seit der 26. Dynastie durch, so stößt
man auf drei Thronnamen, die wenigstens entfernte Ähnlichkeit mit "Cincris"
haben, nämlich "Chnum-Ib-Re", "Ankh-Ka-Re" und "Cheper-Ka-Re".
Die ersten beiden davon gehören den letzten beiden Pharaonen der 26. Dynastie,
der letztere Pharao Nektanebos I., dem ersten Pharao der 30. Dynastie.
Wir müssen nun beachten, daß die Weltsprache in der betrachteten Zeitepoche
bereits griechisch war, und daß diese Namen in griechischer Transkription um
einiges verdreht worden sind. Ein Beispiel dafür ist der Thronname der Königin
Nofretete, die rund tausend Jahre früher als "Ankh-Cheperu-Re" für eine
gewisse Zeit eigenständig regierte. In den (griechischen) Königslisten
Manethos taucht sie jedoch als "Königin Akencherres" auf.
"Ankh" ist im Griechischen also zu "Aken" geworden. Folglich ist es plausibel,
daß aus dem obigen "Ankh-Ka-Re" im Griechischen so etwas wie "Akenkares"
wurde, das man sich leicht zu "Kenkris" oder "Cincris" abgewandelt vorstellen
kann.
Es darf hier nicht verschwiegen werden, daß es ein Mysterienspiel der FOI
gibt, daß sich mit der Herkunft der Prinzessin Scota beschäftigt ("Scota, the
heretic princess" aus der Publikation "Sphinx"), das wie die meisten anderen
der FOI dem sehr inspirierten Geist Lady Olivias entstammt. Was hat sie zu all
dem zu sagen?
In diesem Mysterienspiel taucht Scota zweimal auf (beides sind, wie sich am
Schluß herausstellt, Inkarnationen der Isis), und zwar einmal als Tochter
Semenchkares (ca. 1600 Jahre vor unserer Zeitrechnung) und das zweitemal als
Tochter des letzten Pharaos Nektanebos II. (380 Jahre vor unserer
Zeitrechnung). Beide Daten passen allerdings nicht zu den archäologischen und
historischen Indizien. Semenchkare liegt ein ganzes Jahrtausend vor dem ersten
Auftreten von dem, was später einmal Kelten werden sollten. Und zur Lebenszeit
Nektanebos II. war die irische Einwanderung bereits in vollem Gange.
Aber vielleicht sollten wir hier auch nicht allzu pingelig sein, denn
Mysterienspiele sind stets symbolhaft zu verstehen, und wir sollten deshalb
eher die symbolischen Gemeinsamkeiten der beiden Szenen im Mysterienspiel
betrachten.
Scota ist in beiden Fällen Tochter eines Königs, der der "Letzte seiner Art"
ist, bevor externe Kräfte ihn von Thron fegen (im Fall Semenchkares in
Achetaton die wiedererstarkte Amunpriesterschaft, im Fall Nektanebos II. die
zweite persische Invasion). Ein solcher "Letzter seiner Art" ist auch Psametik
III. Ankh-Ka-Re, der weniger als ein Jahr auf dem Thron saß, ehe König
Kambyses ihn besiegte und die erste persische Invasion Ägyptens einleitete.
Leider gibt es aus der Lebenszeit Psametiks nur wenige Zeugnisse. Das liegt
zum einen an den turbulenten Ereignissen, zum anderen daran, daß im feuchten
Boden Unterägyptens viel weniger Gegenstände erhalten geblieben sind als in
den trockenen Felsentälern Oberägyptens (von der Hauptstadt Saïs ist so
gut
wie nichts übrig). Immerhin wissen wir, daß Psametik selbst aus der Ehe seines
Vaters Amasis mit einer Ausländerin stammt. Wir wissen auch von zwei
Halbbrüdern von ihm, von denen der eine General war, und einer Schwester, die
von der "Gottesgemahlin des Amun" Ankh-Nes-Nefer-Ib-Re in Theben als
vorgesehene Nachfolgerin adoptiert wurde.
Zum einen können wir daraus schließen, daß es zu dieser Zeit selbst für das
Königshaus nicht mehr zwingend war, "rein ägyptisch" zu heiraten. Zum anderen
bedeutet es, daß nach der langen Herrschaft Amasis' mindestens zwei seiner
drei Söhne alt genug waren, um selbst schon Karriere gemacht zu haben - und
mithin eine Familie zu gründen. Leider sind uns von Psametik weder Frau noch
Kinder bekannt, was nicht bedeutet, daß es sie nicht gab - es erscheint im
saïtischen Ägypten kaum vorstellbar, daß ein König ohne Königin regiert
haben soll, denn beide gemeinsam verkörperten schließlich Isis und Osiris. Und
wenn es von etwaigen Kindern keine Spuren gibt, bedeutet das möglicherweise
nur, daß sie nicht in Ägypten begraben wurden (sic!).
Aus dieser Sicht spricht also nichts dagegen, daß eine Tochter des
Königshauses mit einem besonders verdienten (und deshalb auch politisch
wichtigen) Söldnerführer verheiratet wurde. Dieser wird als Offizier einer
besiegten Armee sicher versucht haben, sich und seine Familie in Sicherheit zu
bringen, als die Perser Ägypten zu besetzen begannen. Als Söldner lag seine
Heimat aber im Ausland.
Wir verlassen an diesem Punkt also Ägypten und müssen uns mit der Geschichte
der inselkeltischen Völker beschäftigen. Leider stehen uns hier bedeutend
weniger archäologische Funde zur Verfügung, und schriftliche Überlieferungen
gibt es in der relevanten Zeit überhaupt keine. Die Gründungssagen Irlands,
wie das "Book of Invasions" wurden erst über tausend Jahre später während der
Christianisierung niedergeschrieben.
Diese Sagen berichten uns, daß die Nachkommen Scotas und ihres Mannes (die in
die keltiberischen Lande zurückgekehrt waren) sich nach ihrem Sohn Gaelglas
benannten (der entsprechende Landstrich in Nordspanien heißt noch heute
Galizien). Diese "Gaelen" brachen nun über das Meer auf, um auf den Inseln im
Norden zu siedeln, die sie nach ihrer Stammutter das "kleinere und das größere
Scotia" nannten. Das Book of Invasions berichtet von schweren Kämpfen mit den
in Irland herrschenden Tuatha de Danaan, die schließlich von den
Neuankömmlingen besiegt wurden. Der gaelische Anführer Heremon wurde König von
Irland.
Archäologisch finden sich wenige Belege für diese Sage. Immerhin tauchen an
der Wende vom sechsten zum fünften Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung auch
in Irland Wallburgen auf, die auf unruhige Zeiten schließen lassen - wie
überall in Europa in der Zeit der frühkeltischen Expansion. Anders als in
Mitteleuropa lassen sich hier aber kaum Spuren größerer Kampfhandlungen
nachweisen. Die Landnahme der Gaelen scheint überwiegend friedlich vor sich
gegangen zu sein, vielleicht aufgrund der dünnen Besiedelung der Insel.
Vielleicht ist es nur lokal zu kleineren Kampfhandlungen gekommen, die dann in
der Sage entsprechend hochstilisiert wurden.
In der Sage stammen die Könige von Munster von jenen frühen gaelischen Königen
ab, und wir überspringen deshalb den reichen irischen Sagenschatz bis zum
nächsten wichtigen Schlüsselpunkt. Das Buch "Duan Albanach" berichtet uns, daß
"die drei Söhne Ercs mit dem Segen des heiligen Patrick das Reich Alba (das
ist Britannien) besiedelten." Dieser Erc stammte vom König Conaire Mac Moga
Lama von Munster ab.
Historisch fällt dieses Datum also mit der Christianisierung Irlands und der
von dort ausgehenden Gründung des (archäologisch und historisch) greifbaren
scotischen Fürstentumes Dalriada in Südwest-Schottland um das Jahr 500
zusammen.
Die (irischen) Scoten gerieten sich bald mit den in Nordschottland siedelnden
Pikten ins Gehege. Um 850 wurden beide Völker unter König Kenneth Mac Alpin
"dem Verräter" vereingt, der eine piktische Prinzessin geheiratet hatte (und
alle anderen Pikten fürstlicher Herkunft ermorden ließ).
Für uns interessant ist an dieser langen Geschichte nur, daß die Linie der
schottischen Könige bis zum Mittelalter in dem Buch "Chronicle of the Scots"
direkt auf Fergus, den Sohn Ercs, zurückgeführt wird. Denn zu den schottischen
Königen gehört ein gewisser Duncan II., und dieser wiederum ist ein Vorfahr
von Lady Olivia und Sir Lawrence.
Lady Olivia hat in einem Interview mit Jonathan Cott mit einem Augenzwinkern
zu verstehen gegeben, daß es eigentlich für alle Angehörige gälischer Völker
recht wahrscheinlich ist, von den irischen Scoten und damit von einer
ägyptischen Prinzessin abzustammen. "Der einzige Unterschied", so erklärte sie
lächelnd, "besteht darin, daß wir es sicher wissen, weil unser Großvater im
Jahre 1907 unsere Abstammung bis auf König Duncan durch das britische
Heroldsamt feststellen ließ."
Weiterhin erzählte sie, daß die Familie erst im Jahr 1625 wieder von
Schottland nach Irland übersiedelte.
So weit, so gut. Wir können also im Rahmen dessen, was in Form von
archäologischen, historischen und mythologischen Fakten zusammenpaßt, davon
ausgehen, daß die Gründer der FOI (über einen zugegebenermaßen langen Umweg)
vom ägyptischen Königshaus der Saïten abstammen. Aber was bedeutet das
konkret
für uns?
Wir müssen uns dafür ein paar der Lebensumstände in Ägypten ansehen. Zunächst
einmal war König Psametik III., so kurz er auch regierte, rechtmäßiger und
damit von den Göttern anerkannter Pharao von Ägyten. Im Detail bedeutete das,
daß er auch der oberste amtierende Priester des Staates war, denn das Königtum
in Ägypten hatte ja deutlich sakralen Charakter.
Als Priester konnte er seinen "Beruf" aber an seine Kinder vererben.
Tatsächlich wurde im saïtischen Ägypten ein Amt üblicherweise so
weitergeben,
und zwar wegen der bemerkenswerten Gleichberechtigung der ägyptischen Frauen
ohne Einschränkungen auch an eine Tochter (in diesem Fall Scota). Diese
wiederum konnte es nach ägyptischem Recht mit allen Ansprüchen ebenso an alle
ihre Nachkommen weitergeben.
Die Robertsons von Strathloch, Gründer der FOI, haben damit aber kurioserweise
durch Erbschaft bis in die heutige Zeit das Recht, ägyptische Priester und
Priesterinnen zu werden. Die FOI-Priesterschaft ist in dieser Hinsicht also
genuin ägyptisch im Ursprung.
Wie wir alle wissen, wird innerhalb der FOI die Priesterschaft durch die
Salbung mit Heiligem Öl weitergegeben, wie das der Tradition des "klassischen"
Ägypten entspricht, bevor in der Spätzeit alle Ämter de facto erblich
wurden.
Was kann man nun mit diesem Wissen anfangen? Für alle, denen der "richtige"
Ursprung der Priesterinnenweihe wichtig ist, möge das folgende als kleines
Beispiel dienen:
Der "spirituell-priesterliche Stammbaum" der Verfasserin, die die Salbung 2001
auf dem deutschen Treffen in Bielefeld direkt von Lady Olivia erhielt, würde
also aussehen wie unten gezeigt. Es ist zu beachten, daß direkte Erben direkt
untereinander geschrieben sind, eine Linie von Erben durch einen Doppelpunkt
zwischen den Namen dargestellt wird, und die Weitergabe durch Salbung durch
einen senkrechten Strich. Die auf "0" endenden Jahresangaben sind nur ungefähr
zu verstehen.
Weitergabe: Jahr: Pharao Psametik III. Ankh-Ka-Re, 26. Dyn. (Cincris) -525 Prinzessin Scota "die Schwarze" Gaelglas (Galizien / Iberien) : Heremon (iberisch-keltische Kolonisation Irlands) -450 : Hochkönige von Irland : irische Könige von Munster : König Conaire Mac Moga Lama 100 : Erc Mac Eodaigh Fergus Mac Erc (Gründung von Dalriada) 500 : scotische Fürsten von Dalriada (SW-Schottland) : König Kenneth Mac Alpin (Vereinigung mit den Pikten) 850 : Könige von Schottland : König Duncan II. 1000 : Robertsons von Strathloch (Rückkehr nach Irland) 1625 : Rev. Lady Oliva Robertson (Gründung der FOI) 1976 | Rev. Dr. Diane Neisius (FOI) 2001
Literatur:
[1] Beckerath, J. v.:
Handbuch der ägyptischen Königsnamen.
Philipp v. Zabern Verlag, 1999.
[2] Cassin, E., Bottero, J., Vercoutter, J.:
Weltbild Weltgeschichte Bd. 4
(Die altorientalischen Reiche III)
Weltbild Verlag, Augsburg 1998.
[3] Cott, J.:
Isis and Osiris.
Doubleday, N.Y., 1994.
[4] Helck, W., Otto, E.:
Lexikon der Ägyptologie Bd. 4
Harrassowitz Verlag, Wiesbaden, 1982.
[5] James, S.:
Das Zeitalter der Kelten.
Bechtermünz Verlag, 1998.
[6] Laing, L.:
The Archaelogy of late Celtic Britain and Ireland.
Methwen Ltd., London 1975.
[7] Matthews, C. u. J.:
Lexikon der keltischen Mythologie.
Seehamer Verlag, Weyharn 1997.
[8] Schulze, P.:
Frauen im alten Ägypten.
Lübbe Verlag, Bergisch-Gladbach 1993.
[9] Striewe, C. M.:
Die Pikten.
in: Polarlicht Nr.4 / Herbst 2000