In der Antike, bei den alten Völkern und besonders bei den keltischen Stämmen gab es mancherorts verschiedene Arten von Hochzeiten. Manche waren mit Gütergemeinschaft, andere nicht, oft wurde eine Ehe eher wie eine heutige Firmengründung gehandhabt, bei der beide Partner ein bestimmtes Kapital (in Form von Grundbesitz oder Tieren) in die Gemeinschaft einbrachten, dessen erwirtschafteten Gewinn sie sich teilten.
Was eine besonders schöne Einrichtung war, die in den heutigen naturreligiösen Gemeinschaften wiederbelebt wird, ist die Einrichtung verschiedener Grade des Verheiratetseins. Das ging - und geht heute wieder - für ein Jahr, oder für ein Leben, und zwei Seelen, die sich ganz sicher waren oder sind, für immer zusammenbleiben zu wollen, konnten und können auch für die Ewigkeit heiraten. Das bedeutet, daß sie sich für alle noch kommenden Inkarnationen verbinden.Insbesondere die Einrichtung der Einjahresehe (mit der Möglichkeit, sie am Jahrestag im gegenseitigen Einvernehmen um ein weiteres Jahr zu verlängern) würde, wenn sie in unserer Gesellschaft öffentlich anerkannt wäre, wohl die Scheidungsrate erheblich senken.
Das Ritual selbst beinhaltet einige Gebräuche aus der alten Zeit, die zum Teil in einigen Völkern noch heute als Brauchtum bei Hochzeiten üblich sind. Das Zerreißen des Brotes, mit dem sich das Brautpaar dann gegenseitig zu essen gibt, stammt aus dem antiken Griechenland. Ebenso wie der heute noch in Japan übliche Brauch, sich gegenseitig aus dem Kelch zu trinken zu geben, ist es etwas, das das Zusammenleben des Paares symbolisiert - nämlich im Sinne des Wortes sein tägliches Brot miteinander zu teilen. In Schottland werden heute noch die Hände des Brautpaares vom Priester zu einem Unendlichkeitszeichen zusammengelegt und dann mit einem Schleifenband symbolisch zusammengebunden.Und auch der Kuß ist ein Symbol aus sehr archaischen Zeiten, der die körperliche Vereinigung der Brautpaares in der Ehe symbolisiert, die ganz am Anfang der Menschheitgeschichte noch vor allen Mitgliedern des Stammes oder Dorfes vollzogen werden mußte, damit die Ehe gültig war.
In der heutigen Zeit, in der auch nicht heterosexuelle Lebensgemeinschaften gleichberechtigt neben der klassischen Ehe bestehen, kann das Ritual auch ohne weiteres für eine homosexuelle Hochzeit verändert werden. Es empfiehlt sich dann, die Invokation der Gottheit am Anfang umzuschreiben; für eine lesbische Hochzeit ruft man vielleicht passender Diana und Callisto, für eine schwule Hochzeit empfehlen sich Zeus und Ganymedes. Einfach ein bißchen die griechischen Göttersagen studieren, dann finden sich schon passende Worte.
(Ziehen des Schutzkreises)
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(Anrufung der Elementargeister)
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Invokation der Göttin
Priesterin: Ich rufe Dich, Isis, Große Göttin, Mutter der Menschen. In Ägypten erzählte man sich einst, daß Du es warst, die die Ehe erfunden und den Menschen gegeben hat, und keine treuere Gattin gab es als Dich, über den Tod hinaus liebtest Du Osiris und holtest ihn mit Deiner Macht ins Leben zurück. Keine größeren Liebenden gab es als Dich und Osiris, schon im Leib eurer Mutter, der Himmelgöttin, liebtet ihr euch. Ich bitte Dich, Große Göttin, komme heute auch zu uns zu dieser Hochzeitszeremonie, um dem Brautpaar, das hier vor Deinem Altar steht, Deinen göttlichen Segen zu spenden.
Ansprache an das Brautpaar
Ihr tretet also heute vor den Altar der Göttin, um eine Lebensgemeinschaft für [ein Jahr / dieses Leben / die Ewigkeit] einzugehen. Eine solche Lebensgemeinschaft oder Ehe ist den Menschen aller Kulturen heilig gewesen und ist es noch. Eheschließungen werden überall auf der Welt im Angesicht der Götter vollzogen, sind also eine ernste Angelegenheit. So etwas tut man nicht zum Spaß, sondern es stellt einen Schritt in eine neue Lebensphase dar.
Ihr seid nun beide keine Kinder mehr, sondern wißt schon, daß das Leben nicht nur unbeschwerte Tage bereithält, sondern auch Schweres bereithalten kann.
Heute, an diesem Tag, seid ihr beide voller Liebe füreinander, und wir wünschen uns alle, daß das recht lange so bleibt. Eine Ehe, eine Lebensgemeinschaft, soll den beiden Menschen Glück und Freude bereiten, sie Stärke in der Gemeinsamkeiten finden lassen. Ihr sollt euch gegeneitig stützen, euch lieben, die Sonne in eures Partners Leben sein.
Aber beachtet auch, daß eine Ehe nicht bedeutet, sich selbst völlig für den anderen aufzugeben. Trinkt aus derselben Schale, aber nicht denselben Wein, lautet ein arabischer Segenswunsch für ein Hochzeitspaar. Ihr seid beide Menschen mit Persönlichkeit, und ihr habt ein Recht auf euer Selbst. Gebt nicht eure Eigenheiten auf, nicht genau das, was in eurem Partner und Ehegefährten gerade die Liebe zu euch hat erwachen lassen!
Gewiß mag das auch einmal zu Uneinigkeit und sogar Streit führen. Aber auch das gehört zum Leben. Ein Gewitter reinigt die Luft, auch in einer Lebensgemeinschaft, solange die Blitze nur die aufgestaute Energie verausgaben und nicht das gemeinsame Haus in Brand setzen. Verzeiht einander die kleinen Schwächen, und behaltet selbst im Zorn noch soviel Besonnenheit, daß ihr die Persönlichkeit eures Partners achten könnt und ihn nicht verletzt.
Dann wird in eurer Ehe der Schlüssel zum gemeinsamen Land der Herzenssehnsucht liegen. So sei es!
Alle: So sei es!
Priesterin: Also frage ich Dich, [Name der Braut], willst Du [Name des Bräutigams] zu Deinem Ehemann für ein Jahr nehmen?
Braut: Ich will es.
Priesterin: Ich frage auch Dich, [Name des Bräutigams], willst Du [Name der Braut] zu Deiner Ehefrau für ein Jahr nehmen?
Bräutigam: Ich will es.
Priesterin: Dann soll es so geschehen.
(Priesterin nimmt das Brot vom Altar und hält es zwischen das Brautpaar. Beide fassen je eine Hälfte des Brotes)
Priesterin: Reißt nun das Brot auseinander zum Zeichen, daß ihr es fortan miteinander teilen wollt!
(Das Brautpaar zerreißt das Brot in der Mitte. Jeder ißt ein Stück von seiner Hälfte)
Priesterin: Gebt nun auch eurem künftigen Gefährten von eurem Brot zu essen!
Braut: Ich gebe Dir aus meiner Hand zu essen. (gibt dem Bräutigam von ihrem Brot)
Bräutigam: Ich gebe Dir aus meiner Hand zu essen. (gibt der Braut von seinem Brot)
(Priesterin weiht den Wein)
Priesterin: Gebt nun eurem künftigen Gefährten aus dem Kelch zu trinken!
Braut: Ich gebe Dir aus meiner Hand zu trinken. (gibt dem Bräutigam aus dem Kelch zu trinken)
Bräutigam: Ich gebe Dir aus meiner Hand zu trinken. (gibt der Braut aus dem Kelch zu trinken)
(Wunschrunde; alle Anwesenden sprechen dem Brautpaar den persönlichen Segenswunsch aus. Falls das Brautpaar Ringe tauschen möchte, kann das im Anschluß geschehen)
Priesterin: Fügt nun eure Hände zum Unendlichkeitszeichen zusammen, zum Zeichen, daß durch den Segen der Götter eure Gemeinschaft weit mehr sein wird als nur die Summe von euch beiden zusammen. (bei diesen Worten fügt sie jeweils die rechte und die rechte sowie die linke und die linke Hand von Braut und Bräutigam zusammen, so daß die haltenden Hände sich kreuzen und die Arme eine liegende Acht, das Unendlichkeitszeichen, formen)
Braut: Vor dem Angesicht der Göttin nehme ich Dich, [Name des Bräutigams], für ein Jahr zum Mann.
Bräutigam: Vor dem Angesicht der Göttin nehme ich Dich, [Name der Braut], für ein Jahr zur Frau.
(Priesterin bindet ein rosafarbenes Band um die sich kreuzenden Handpaare zu einer Schleife)
Priesterin: Kraft der Würde, die ich als ordinierte Priesterin der Göttin trage, erkläre ich euch hiermit für die Dauer von [einem Jahr / dieses Lebens / der Ewigkeit] zu Mann und Frau. (macht das Zeichen des Ankh über den verbundenen Händen)
(Das Brautpaar tauscht den Hochzeitskuß aus. Die Priesterin und alle Anwesenden visualisieren dabei Göttliches Licht, das auf neuvermählte Paar scheint und es einhüllt. Jubel und Glückwünsche der Anwesenden!)
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(Meditation)
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(Hochzeitsschmaus)
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Priesterin: Ich danke Dir, Isis, daß Du [Namen von Bräutigam und Braut] Deinen Segen hast zukommen lassen. Ich bitte Dich, halte Deine schützenden Schwingen stets über sie und ihre Ehe, solange sie dauert. So sei es!
Alle: So sei es!
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(Dank an die Elementargeister)
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(Auflösen des Schutzkreises)*
© 2002 Diane Neisius / Medusa Iseum