Aus dem Kessel der Schlange - auf der Schwelle zum Sommer


Claudia M. Striewe


1. Brigid, die große Göttin Irlands


Die keltische Göttin Brigid, aus der die Christen eine mittelalterliche Heilige machten, hat sich in Irland bis heute ihre Beliebtheit erhalten. Sie ist eine interessante Figur, da sie sowohl im heidnischen als auch im christlichen Umfeld große Bedeutung und Verehrung erfuhr und noch erfährt. Sie scheint eine archetypische Gestalt zu sein, die über Jahrtausende hinweg die Menschen in Westeuropa begleitete.


In Irland war sie unter dem Namen Brigid oder Brigit bekannt, bei der keltischen Bevölkerung Englands als Brigantia, in der Bretagne hieß sie Brigandu. Wenig bekannt ist, dass der walisische Name Cerridwen (in neuheidnischen Kreisen sehr beliebt als "die mit dem Kessel") die gleiche mythologische Gestalt bezeichnet.

In ganz England und Irland findet man (Heil)quellen, die ihren Namen tragen oder deren Heilkraft dieser Göttin zugeschrieben wird. Dies stellten schon die Römer fest, als sie nach England kamen, und sie assoziierten die einheimische Göttin mit Minerva oder der griechischen Athena.

In der Mythologie Irlands und in Wales erfahren wir vieles über diese Göttin, und es lässt sich auch herausfiltern, dass sie schon in vorkeltischer Zeit in diesen Ländern verehrt wurde. Darauf werde ich weiter unten in Einzelheiten eingehen.


Zunächst ein kurzer Ausflug in die keltischen Sprachen: Der Name Brigid kommt wahrscheinlich von breo-saighit, was man mit "Feuerpfeil" oder "brennender Pfeil" übersetzen kann. Eine andere Vermutung ist die Ableitung von einem urkeltischen Begriff briganti, was "die Erhabene" bedeuten und sich in verschiedensten Orts- und Stammesnamen in ganz Westeuropa finden soll (Bregenz, Burgund, etc.) Es sollte jedoch klar sein, dass die Sprachwissenschaft immer auch ein gutes Stück Spekulation beinhaltet...

Brigid wird ursprünglich mit einem klaren "g" in der Mitte ausgesprochen, nicht wie im modernen Englisch mit "dsch". Die latinisierte Form des Namens ist uns bekannt als Brigitta. Im modernen Gälisch wird das mittlere "g" stumm, und man sieht oft die Schreibweise Brighid, was Brii-id ausgesprochen wird.

Bis ins letzte Jahrhundert waren Patrick und Brigid die häufigsten Vornamen in Irland. Dann wurde jedoch "Biddy" in englischen, anti-irischen Karikaturen zu einer Symbolfigur für das rückständige und dumme Bauernmädchen, und im Gegensatz zum immer noch ziemlich beliebten "Paddy" wurde der Mädchenname zunehmend seltener gebraucht.


Aber wer war jene geheimnisvolle Gestalt, die als erste diesen Namen trug?

Die Göttin Brigid wird mit dem Feuer und dem Herd, aber auch Wasser, dem Kessel, der Schmiede- und Dichtkunst sowie Getreide, Tieren, Milch und dem Spinnhandwerk in Verbindung gebracht. Auch für eine Göttin ist dies natürlich auf den ersten Blick ziemlich viel und ziemlich viel Verschiedenes. Seit der keltischen Zeit wird ihre Macht in drei Einflussbereiche eingeteilt:


In Zusammenhang mit diesen drei Bereichen wird sie auch als drei Schwestern beschrieben, die alle den Namen Brigid tragen. Damit stellt sie jedoch weniger eine typische Göttin-Trinität dar, wie man sie z.B. auf dem keltischen Festland in den Matronen (junge Frau - Mutter - alte Frau) findet, sondern die Zahl Drei verdeutlicht hier ihre allumfassende schöpferische Macht.


Brigid wurde als Göttin des Feuers und Wassers verehrt. Schon ihr Name weist auf ihre Verbindung zum Feuer hin. In allen ihren Einflussbereichen spielen die beiden Elemente eine wichtige - symbolische oder auch ganz praktische - Rolle.

Sie ist die Flamme der Inspiration für den Dichter und Künstler, und auch der See oder die Quelle der Gefühle oder der überlieferten Weisheit, aus der er schöpft. Auch bei der Weissagung wurden und werden traditionell Feuer und/oder Wasser verwendet (z.B. wurden bestimmte Kräuter verbrannt, um in den Flammen Bilder zu sehen, oder man schaute in eine Schale mit Wasser).

Dass beim Schmieden Feuer und Wasser Verwendung finden, bedarf wahrscheinlich keiner weiteren Erklärung. Auch der (Wasser-)kessel auf dem Herd steht als Symbol für Nahrung, Heilung und Erschaffung alles Lebendigen.

Brigid symbolisiert also nicht nur die beiden einzelnen Elemente sondern steht insbesondere für die machtvolle Mischung aus den beiden, die schöpferische Energie. Eine interessante Parallele am Rande: in der germanischen Mythologie formte zu Beginn der Welt die aus Feuer und Eis entstandene Urkuh Audhumla den ersten Riesen - auch hier wird die weibliche Schöpferenerige mit der ursprünglichen Vereinigung von Feuer und Wasser symbolisiert.


Dadurch, dass sie an einem Knotenpunkt zwischen zwei so gegensätzlichen Naturelementen steht und beide in sich vereint, war Brigid für die Kelten eine sehr machtvolle Gestalt. Die Kelten waren allgemein fasziniert von "in-between places" - Zwischenwelten, wie z.B. Morgen- und Abenddämmerung (der keltische Tag begann mit der Abenddämmerung!) oder Jahreszeitenwechsel. Das Fest, welches Brigid gewidmet war, fand am 1. Februar statt und beendete den Winter (der dem Element Feuer zugeordnet war) und kennzeichnete den Beginn des Frühlings (Element Wasser). Das wichtigste Fest in der keltischen Kultur war Samhain, die Nacht zwischen den Welten, mit der das neue Jahr begann, und in der der Schleier zur Anderswelt am dünnsten war. All dies sind Orte oder Phasen, in denen sich etwas wandelt, die unklar, unbestimmt sind, und in denen alles möglich ist. Zwischenwelten symbolisieren immer das ursprüngliche Chaos und die Zeitlosigkeit, aus der alles entstand.

Auch die Küste als Ort zwischen Meer und Land oder die Türschwelle zwischen drinnen und draußen galten als solche magischen Orte. Deswegen wurde Brigid auch "Lady of the Shores" genannt, und noch in die christliche Zeit setzte sich diese Symbolik fort, denn die heilige Brigid wurde angeblich auf einer Türschwelle geboren.


In der keltischen Mythologie wird Brigid manchmal als Tochter des Dagda bezeichnet und durch weitere "Familiengeschichten" (mal hat sie einen Sohn, mal sogar drei) in einen Götterpantheon eingefügt. Diese Geschichten sind aber unzusammenhängend und teilweise widersprüchlich, es scheint also, als hätte man nachträglich versucht, sie in ein System zu integrieren, obwohl sie älter als dieses war.


Die Druiden und Barden verehrten Brigid als "Morgenlicht" (der frühe Morgen als Äquivalent zum Frühling) und in mehreren Heiligtümern brannte ihr zu Ehren eine ewige Flamme. Sie war die Verkörperung der als heilig geltenden Dichtkunst. Dazu muss man wissen, dass in der keltischen Gesellschaft die "Dichter" eine besondere Stellung hatten. Sowohl in den Beschreibungen römischer Geschichtsschreiber als auch in irischen Quellen überschneiden sich teilweise die Funktionen von "Druiden", "Filidh", "Barden". Die Aufgaben der Dichter waren jedenfalls sowohl künstlerisch als auch weltlich als auch sakral; in heutigen Worten wären sie Chronisten, Rechtsanwälte, Berater, Richter, Sänger, Künstler und Priester.

Für die Druiden war Brigid auch die Göttin der Wahrheit, in ihrem Namen legte man einen Eid ab.


Wie schon erwähnt, ist Cerridwen der walisische Name der Brigid, und auch hier finden sich viele Bezüge zur Dichtkunst und Lehre der Druiden. Ihr Name leitet sich von wen = weiß und cerrd = "die Künste", vor allem "die Poesie" her. Cerridwen nimmt in der Mythologie und Folklore eine wichtige Rolle ein, denn sie gilt als die Mutter des Barden Talisien, der oft mit Merlin gleichgesetzt wird. Talisien ist so etwas wie der "erste Barde" und viele weise Sprüche und poetische Werke werden ihm zugeschrieben. So ist auch hier wieder die weibliche Schöpferkraft der Ursprung der Dichtkunst.

Diese Prinzip taucht auch in abgeschwächter Form noch über viele Jahrhunderte hinweg in der Vorstellung der Muse auf, die den Dichter zu seinen Werken inspiriert.

Interessant ist ja, dass wir seit indogermanischer Zeit, seit wir schriftliche Zeugnisse über europäische Kulturen haben, die (mündliche und schriftliche) Dichtkunst, und in der weiteren Entwicklung auch die Geschichtsschreibung, die Literatur im Allgemeinen, fast ausschließlich in Männerhand zu liegen scheint (noch bis vor gar nicht so langer Zeit wurden Frauen, die Gedichte oder Bücher schrieben, belächelt, verachtet oder ignoriert), und daraus oft automatisch geschlossen wird, dass es in den Zeiten davor auch immer schon so war. Wenn jedoch in keltischen Quellen so oft auf die ominöse "Mutter der Dichtkunst" verwiesen wird, fragt man sich, ob Frauen nicht zumindest eine gleichberechtigte Rolle auf diesem Gebiet einnahmen. Viele Vermutungen gehen ja mittlerweile dahin, dass die ersten Schriftsysteme von Frauen erfunden wurden, und zwar, um beispielsweise aufbewahrte Heilkräuter zu kennzeichnen, Rezepte und Mondkalender zu notieren, sowie Buchhaltung zu betreiben (die Haus- und Hofwirtschaft lag auch noch in den ersten patriarchalischen Kulturen ausschließlich in Frauenhänden).


Als Schutzherrin der Schmiedekunst steht Brigid in der Tradition anderer machtvoller keltischer Göttinnen, wie z.B. ihrer "dunklen Schwester" Morrigan, die u.a. ebenfalls mit dem Kriegshandwerk in Verbindung steht. Dabei fällt aber auf, dass Brigid zwar die Erfinderin der Schmiedekunst und die Lehrerin der Schwertkämpfer wie auch Beschützerin der Krieger ist, jedoch nie selber mit destruktiven und todbringenden Aspekten assoziiert wird. Dafür gilt sie als Begründerin der Totenklage, da sie um ihren auf dem Schlachtfeld getöteten Sohn weinte, und die schottischen Banshees, weibliche Geister, die um die getöteten Mitglieder einer Familie klagen und heulen, verkörpern diesen Aspekt von ihr.

In allen Beschreibungen ist Brigid Schöpferin und Heilerin. Besonders kommt dies in ihrer Verbindung mit Kräutern und Heilpflanzen zum Ausdruck (speziell werden Eberesche, Klee, Mohn und Veilchen als "ihre" Pflanzen bezeichnet).

Wenn sie im Frühling über die Erde wandelt, so sagt man in Schottland, wächst das Grün in ihren Fußspuren, und die Schlangen kriechen aus ihren Löchern. Kessel und Schlangen sind übrigens weltweit in den verschiedensten Kulturen Symbole der schöpferischen und heilenden Göttinnen. Der Kessel als ein Ursymbol des Weiblichen ist seit jeher ein Kultgerät der weisen Frauen, Heilerinnen und Hebammen, und steht im übertragenen Sinne für die Leben schaffende und nährende Gebärmutter der Frau bzw. auch der Erde.

Brigid als Frühlingsgöttin erweckt das Feuer des Lebens, welches den Winter über unter der Erde geschlafen hat, und sie lässt die Milch der Kühe und Schafe fließen. So ist sie nicht nur die Göttin von Feuer und Wasser, sondern auch der fruchtbaren Erde. In dieser allumfassenden Schutzfunktion über das Lebendige hat sie eine Verwandte auch in der skandinavisch-germanischen Freyja, die unter ihren vielfältigen Einflussbereichen ebenfalls mit dem Gedeihen von Pflanzen, mit Quellen, Flüssen und Brunnen, mit den Weissagungen und der Heilkunde der Seidr-Frauen in Verbindung steht.

Brigid als die größte und bekannteste Göttin Irlands ist die Erde und das Land an sich, welches die Menschen nährt.

Die Verehrung der lebendigen Erde als wichtigstem Bezugspunkt menschlicher Lebens- und Gedankenwelt reicht weit in vorkeltische Zeiten zurück, und Anzeichen dafür finden sich auf den britischen Inseln wie auch in Kontinentaleuropa z.B. in den großen Megalithbauwerken.

Auch das Wasser, was aus der Erde kommt, wurde in den keltischen Kulturen Westeuropas intensiv verehrt. Viele irische und schottische Volksbräuche in Zusammenhang mit Quellen zeigen bis heute Spuren der Verehrung dieser alten Göttin. So bringt es Glück, am Brigids-Tag Münzen oder Ringe ins Wasser zu werfen, und oft werden Tücher in den umliegenden Bäumen festgebunden. Dies gilt zum einen als Schmuck des Ortes, zum anderen verspricht es Heilung, wenn ein kranker Mensch einen Stofffetzen von seiner Kleidung dort aufhängt. (Wobei moderne Nylonstoffe und Kunstfasern wohl eher das Gegenteil für die Natur versprechen.)

Brigid wird in insbesondere mit Thermalquellen in Verbindung gebracht, hier vereint sie wieder ihre beiden Elemente Feuer und Wasser. Wahrscheinlich standen z.B. die Thermen von Bath unter ihrem Schutz, zumindest berichten die Römer, dass an diesem Ort "Minerva" verehrt wurde.


2. Das Fest der Göttin


Am 31. Januar und 1. Februar wird in keltischer Tradition das Fest der Brigid (Am fheill Bride) gefeiert, welches in auch Imbolc oder Oimelc heißt. Imbolc bedeutet wahrscheinlich "im Bauch" und Oimelc hat mit "Milch" zu tun. Zu dieser Zeit beginnt nämlich die Milch der trächtigen Kühe und Schafe zu fließen, bevor sie im März ihre Jungen gebären. Es war also für die Bauern ein Zeichen, dass der Frühling naht und dass seine Tiere gesund und fruchtbar sind. Im übertragenen Sinne regte sich um diese Zeit auch im "Bauch" der Erde neues Leben, welches bald zu sprießen beginnt. Imbolc oder Brigid war also ein wichtiger Tag für die Bauern, ein Zeichen des endenden Winters, des schmelzenden Schnees.

Dieser Tag ist im Volksglauben gut geeignet für Wettervorhersagen. Allerdings muss man diese "verkehrt herum" deuten: Wenn die Sonne scheint, gibt es einen kalten Sommer, wenn es regnet, einen guten. Um dies zu verstehen, muss man ein bisschen "um die Ecke denken". An den keltischen Festen Beltane und Samhain, die das Jahr in eine Sommer- und eine Winterhälfte teilen, glaubte man, dass der "Schleier zwischen den Welten" am dünnsten sei, das heißt, man kann viele Dinge vorhersehen. Imbolc liegt nun aber genau zwischen diesen beiden Festen, dort ist die Sicht also am schlechtesten. Dementsprechend soll man Vorhersagen nicht trauen, bzw. das Gegenteil annehmen.

Traditionell hielt man in dieser Zeit des Jahres Ausschau nach Igeln oder Schlangen, die aus ihren Löchern kriechen, dies ist ein Zeichen dafür, dass der Winter endet. (Die wissen ja nix davon, dass dem guten Wetter nicht zu trauen ist...!)

Am Vorabend des Brigid-Festes wurden Kuchen oder Brot auf die Fensterbank gelegt, denn Brigid wandert in der Dämmerung über das Land und segnet es. Etwas von der ersten Milch des Jahres wurde als Dank an Brigid auf der Türschwelle (!) ausgekippt.

Aus Stroh werden Brigid's crosses oder Brigid's wheels geflochten. Diese haben ursprünglich drei Arme (Triskele), werden aber seit dem christlichen Einfluss auch mit vier Armen hergestellt. Sie werden im Stall oder über der Haustür aufgehängt, um Schutz und Glück zu erbitten.

An Imbolc verkörpert Brigid die Beschützerin des zu Mittwinter neugeborenen Lebens - daher auch ihre Verbindung zu Hebammen und Babies. Auf den schottischen und irischen Inseln werden bis heute rowan crosses (Eberesche) über die Wiege gehängt, und Brigid um Schutz für das Kind gebeten.

Im Westen Schottlands und auf den Hebriden kleiden Frauen am Brigid-Abend eine Strohpuppe als Frauenfigur ein und legen sie in einen geflochtenen Korb (Brigid's bed). Dann laden sie mit den Worten "Fáilte leat a Bhríd" Brigid ins Haus ein.

Ein anderer Brauch ist, am Brigid-Abend einen Holzscheit aus Ebereschenholz ins Feuer zu legen, und am nächsten Morgen nach Anzeichen für den Segen Brigids zu schauen, die sich als Abdrücke in Form von Gänse- oder Schwanenfußspuren darstellen.

Als Feuergöttin symbolisiert Brigid natürlich auch die wiederkehrende Sonne. Ihr zu Ehren werden am Brigid-Abend brennende Kerzen is Fenster gestellt, die über Nacht stehen bleiben. Traditionell werden zum Ende des Winters Kerzen selber hergestellt, denn man hatte den Winter über das Tierfett dafür gesammelt. Auch wurde das übriggebliebene Grünzeug vom Julfest (Mistelzweige, etc.) nun verbrannt. Überhaupt ist Imbolc eine gute Gelegeheit, sich auch mental vom Winter zu verabschieden, einen gründlichen Vorfrühjahrsputz zu veranstalten, und neue Pläne nun in Angriff zu nehmen.

Das christliche Fest Lichtmess zeigt viele Bezüge zu den heidnischen Bräuchen, wenngleich es vordergründig den Tag bezeichnet, an dem Maria (40 Tage nach der Geburt ihres Kindes) wieder "rein" wurde. Mal ganz abgesehen von dieser patriarchalischen Perversion begann z.b. bei den Römern Anfang Februar das Fest der Nonen, mit dem der Frühling und das neue Jahr begrüßt wurde. Dies wurde genutzt, um nicht nur im wörtlichen sinne sondern auch im übertragenen Sinne sich zu reinigen und neue Pläne anzugehen. Auch das Wort Februar kommt vom lateinischen Begriff für "Reinigung".

In Nordeuropa war Imbolc aufgrund der klimatischen Verhältnisse immer schon ein Fest, welches die Familie im Haus zusammen feierte, weniger eine große öffentliche Feier wie z.B. Sommer- oder Erntefeste. Auch aufgrund von Brigids Beziehung zum Herdfeuer wurde es als häusliches Fest angesehen.


3. Die christliche Brigid


In vielen überlieferten Bräuchen, die mit "heiligen" Plätzen oder auch dem Brigids-Tag (Lichtmess / Imbolc) zu tun haben, sind die Grenzen zwischen der alten keltischen Göttin und der christlichen Heiligen völlig unklar und verwischt. Manche christlichen Quellen verneinen, verschweigen oder deuten nur vage an, dass ihre mittelalterliche Heilige Brigid etwas mit einer alten Göttingestalt zu tun haben könnte, aber gleichzeitig zeigen ihre Beschreibungen und Legenden viele Aspekte und Symbole, die in einer direkten Verbindung zur Göttin stehen. So bietet es sich an, einen kurzen Blick auf die "christliche Brigid" zu werfen.

In der englischsprachigen Welt ist die irische Heilige wenig bekannt, da fast alle ursprüglichen Quellen über sie in gälischer Sprache geschrieben sind, die lange unterdrückt war. Oft wurde sie deshalb mit St. Brigitta aus Schweden verwechselt. Die historischen Fakten über die Heilige Brigid sind rar, und es wird deshalb vermutet, dass sie niemals wirklich lebte, sondern heidnische und christliche Legenden und Folklore aus dem frühchristlichen Irland sich vermischten. Sie wurde auch vor einigen Jahrzehnten aus der offiziellen Heiligenliste des Vatikans gestrichen. Nichtsdestotrotz erfreut sie sich in Irland großer Verehrung als Nationalheilige.

Die Heilige Brigid wurde der Legende nach um 450 n. Chr. in der Nähe von Kildare geboren, und starb um 525. Sie war die Tochter eines heidnischen Stammesführers und einer christlichen Sklavin, und wurde als Kind an einen Druiden verkauft. Einige Legenden erwähnen Prophezeiungen oder mysteriöse Ereignisse während ihrer Geburt (siehe auch oben: die Geburt auf der Türschwelle). Angeblich waren ihre ersten Worte, die sie als Kind sprach "This land will be mine."

Als junges Mädchen kam sie wieder zu ihrem Vater und verschenkte dessen Reichtum an die Armen. Sie arbeitete in der Küche, wo sie mit Milch und Butter zu tun hatte, und diese oft auf wundersame Weise vermehrte. Sie kam in Kontakt mit christlichen Würdenträgern, die großen Respekt vor ihr hatten, und wurde angeblich von dem Missionar Patrick getauft. Sie wurde Nonne und gründete in Kildare ihr eigenes Kloster. Laut einer Legende bat sie einen Fürsten um Land für dieses Kloster, und bekam von ihm die spöttische Antwort, alles Land, was sie mit ihrem Mantel bedecken könnte, dürfe sie haben. Daraufhin ging sie zu dem gewünschten Ort und breitete ihren Mantel auf magische Weise über all das Land, welches sie haben wollte.

Diese christliche Wundergeschichte, ebenso wie der angebliche erste Ausspruch von ihr, zeigt doch starke Bezüge zur "Brigid of the green mantle", die das Land beschützt und besitzt, sie IST das Land.


Die christlichen Beschreibungen zeigen Brigid als weise, schlau, überzeugend, glücklich, liebevoll, großzügig, in einer starken individuellen Beziehung zu Gott stehend, und auch tierliebend. sie kann mit Tieren sprechen und hat eine geradezu magische Verbindung zu ihnen. Insbesondere wird sie mit Kühen und Vögeln (Gänsen) dargestellt, oder auch mit einer leuchtenden Lampe oder Fackel oder als Heilerin.

Von der Äbtissin Brigid wird berichtet, dass sie des öfteren Regeln und Gesetze außer acht ließ, wenn es gegen ihr Verständnis von Gerechtigkeit verstieß. Ihr Kloster war ein Zentrum des Lernens und der Künste und sie wird als Mystikerin und Mittlerin zwischen Heiden und Christen beschrieben. Sie wurde als große Autorität geachtet, und hatte den Rang eines Bischofs inne, der ihr angeblich "direkt von Gott", also nicht durch die kirchliche Hierarchie, verliehen worden war. Dies ist zwar historisch eigentlich nicht möglich. Im frühchristlichen Irland war jedoch zunächst das Diözesensystem der römischen Kirche (Bischöfe) unbekannt. Klöster bildeten die Zentren des christlichen Lebens, diese waren relativ autonom und sehr stark von der jeweiligen Einstellung ihrer Äbte geprägt (welche durchaus auch Frauen sein konnten). Oft tauchen noch Verbindungen zum druidischen Umfeld auf. Auch Brigids Kloster Kildare ("Kil-Daire" = Kirche der Eiche) soll aus einem Druiden-Heiligtum gegründet worden sein. Andererseits wird berichtet, 19 Priesterinnen hätten hier das Feuer der Brigid gehütet. Bei den Kelten war die 19 die Zahl des "Großjahres", weil jeweils nach 19 Jahren wieder der Neumond mit der Wintersonnenwende zusammenfällt. Kildare war angeblich zunächst ein Frauenkloster, wurde aber im 12. Jahrhundert einem männlichen Abt unterstellt. Dabei wurde auch das Feuer der Brigid gelöscht.

Die Heilige Brigid ist die Schutzheilige von Irland, Dichtern, Milchmädchen, Schmieden, Heilern, Vieh, Flüchtlingen, Hebammen und Neugeborenen. Außer in Irland wird sie noch im Elsaß, Flandern, Portugal und in einigen Teilen, insbesondere von Bauern, verehrt. dies weist auf ihre einstige Verbreitung im westkeltischen Raum hin. In Irland wurde sie gälische oder keltische Maria genannt ("Muire na Gael"), denn ihre Bedeutung und Beliebtheit beim Volk übertraf sogar die der christlichen Maria. So wurde sie in den Legenden zur Hebamme oder Ziehmutter von Jesus ("Muime Chriosd").

Viele Segenssprüche erwähnen Brigid, man erflehte sich von ihr vor allem den Schutz gegen den "dreifachen Tod" durch Verbrennen, Ertrinken und Erstechen - auch hier wieder eine der vielen Referenzen auf die alte Göttin des Feuers, des Wassers und der geschmiedeten Waffen.



Referenzen und Hinweise:


Anne Ross - Pagan Celtic Britain

Buffie Johnson - Die große Mutter in ihre Tieren

Alexander Carmichael: Carmina Gadelica

Miranda Green: The Sun Gods of Ancient Europe

Ronald Hutton: The Pagan Religions of the Ancient British Isles

Alwyn & Brinley Rees: Celtic Heritage

Peter Berresford Ellis: Celtic Women

T. F. G. Dexter: Fire Worship in Britain

Fiona MacLeod: Winged Destiny

Marija Gimbutas: Die Sprache der Göttin

Vera Zingsem: Der Himmel ist mein, die Erde ist mein. Göttinnen großer Kulturen im Wandel der Zeiten

Hilda Ellis-Davidson: Roles of the Northern Goddess

Miranda Green: The Celtic World

Helmut Birkhan: Kelten

Kurt von Derungs: Keltische Frauen und Göttinnen. Matriarchalische Spuren bei Kelten, Pikten und Schotten

Hilda Ellis Davidson: Myths and Symbols in Pagan Europe. Early Scandinavian and Celtic Religions

Miranda Green: Animals in Celtic Life and Myth

Miranda Green: Symbol and Image in Celtic Religious Art


Thanks again to Linda Fraser Aldon for useful hints and advice concerning á cánain gáidhlig - best wishes and keep Sgitheanach on your mind!


Greetings also to Andrea Marie Brokaw, the Lady of Hedgehog (http://ladyhedgehog.hedgie.com)


Und noch ein Tip zum Thema: http://www.spiritualsanctuary.com/Brigid.htm

© 2001 Claudia M. Striewe. Erstveröffentlichung im "Polarlicht" - Magazin.



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